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Die
Kunst
des
Islam.
kann sich diese Hingebung, diese Innigkeit ausbilden,
welche in den leichten, wirkungslosen Tönen die Stim-
mungen des Gemüthes wiederklingexid empiindet. Mit
Recht tragen daher die ehrbaren Anhänger des Propheten
Scheu, sich dieser geistigen, jedem Zwangsgebote ent-
fliehenden Kunst zu überlassen, sie würde sie nur zum
sinnlichen Genusse reizen.
Diese Beziehungen auf die Künste der Rede und des
Tons können unser Urtheil über die Baukunst noch näher
bestimmen. Wie jene poetischen Künsteleien lockt die
architektonische Arabeske durch ihr Räthselspiel, fesselt
die Seele durch den Schwung ihrer Linien, täuscht sie
immer aufs Neue durch die Andeutung verborgener Regel,
gewährt ihr eine Beschäftigung , welche keinen Ernst
erfordert, immer abgebrochen und immer wieder erneuert
werden kann, eignet sich zu endloser Fortsetzung wie
jene redseligen Makamen des Hariri oder wie der Einklang
des Reimes der Ghasele. In beiden dieselbe müssige
Geschäftigkeit, ein sanftes Wiegen der Phantasie, eine
Bewegung, welche das Gefühl des Daseins giebt, ohne
zu ermüden.
Diese Architektur entspricht daher im Ganzen wie
in ihren Theilen dem Geiste des Islam, sie theilt dessen
Vorzüge und zeigt sie im vortheilhaftesten Lichte. Sie
nimmt in der Geschichte der Kunst, wie dieser in der
Entwickelung der Menschheit, eine wichtige Stelle ein,
wenn auch nur als Rückwirkung und Gegensatz. Denn
in der That, wie die Vorzüge dieser geistigen Richtung,
theilt sie auch ihre lilängel. Denn wenn an dem Aeussern
der arabischen Gebäude anfangs ihre Einfachheit und
Schmucklosigkeit imponirt, so fühlen wir bald die Leere
des Formlosen und suchen nach einer weitern Durchfüh-