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Die
Kunst.
des
Islam.
sinnig ist, aber kein eigentlich poetisches Element gedeihL
Ueberall linden wir freilich die orientalische Phantasie zu
Bildern und Metaphern geneigt, die aber entweder in
raschem Wechsel vorüberfliegen, oder conventioneller,
feststehender Ausdruck sind, oder endlich schon als be-
wusste Allegorie angewendet werden. Auch in der Poesie
herrscht also beständig entweder nur die Abstraction des
Gedankens oder die flüchtige, geniessende Sinnlichkeit.
Ihre grösste Schönheit liegt ganz auf subjectivenl Boden,
in der persönlichen Liebenswürdigkeit des Dichters; der
Ausdruck seiner Kraft und Tapferkeit, seiner Frömmigkeit
und Weisheit, seiner Sehnsucht oder seiner Behaglichkeit
im Genusse, das sind eigentlich die anziehenden Punkte
dieser Dichtung. Die gestaltenschaffende Kraft fehlt
ihr; zu der poetischen Gattung, in welcher diese vorzugs-
weise ihr Feld hat, zur dramatischen, hat daher auch die
muhamedanische Welt niemals auch nur den Versuch
gemacht
Es darf uns daher nicht wundern, dass eine bildende
Kunst hier nicht aufkommen konnte. Das Verbot des
Koran trägt nicht die Schuld; denn auch wo es (wie in
Spanien und bei den Persern) überschritten wurde, blieben
die Versuche des Bildens auf der untersten Stufe der
Rohheit. Es fehlte Trieb und Gefühl für Kunstleistungen
dieser Art; die Schönheit, für welche man empfänglich
War, konnte hier keine Stelle finden, und eine den Anfor-
deruxigeil orientalischer Phantasie entsprechende Darstel-
lung würde grauenhaft und widerlich geworden sein.
Jenes Verbot War in der That ein Beweis von der. tiefen
ü) Die religiösen Spiele dramatischer Form, in welchen die per-
sischen Schiiten nach den Beschreibungen der Reisenden die Schicksale
ihrer Iirlärtyrer darstellen, sind ganz ohne künstlerische Bedeutung.