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Die
Kunst
des
Islam.
Namen der Sonna gesammelt wurden, und in welchen die
Schicksale des Propheten ausgemalt sind. Hier sehen
wir schon das Wohlgefallen an dem Uebermässigen, an
ungeheuren Zahlen, an unvorstellbaren Gestalten. Als
ein Beispiel derselben mag jene Stute Borak angeführt
werden, auf der Muhamed seine I-Iimmelsreise vollbrachte,
und die menschliches Antlitz, Mahnen von Perlenscl1nü-
ren, Augen von Rubinen, Ohren von Smaragden hat.
Wir können hier schon ermessen, wie wenig diese Rich-
tung zur bildlichen Durchführung der Gestalt geeignet
war. Wer möchte das widerlich glänzende Bild des
Wunderthiers- ausmalen? Es giebt nur den Begriff des
möglichst Prächtigen und Leuchtenden; die Schilderung
erinnert an die Flüchtigkeit der hebräischen Anschauung,
aber es ist nicht mehr der einfache, erhabene Aufschwung,
es hat sich Menschliches und Erkünsteltes hineingemischt.
In dieser Bahn schreitet auch später die poetische
Phantasie fort. Bei einer durchgeführten (Zivilisation, bei
aller Verfeinerung des Genusses, bei grosser Neigung
zur sinnlichen Behaglichkeit konnte es nicht fehlen, dass
auch die Schönheit der Natur diese spätem Muhamedaner
anzog. Besonders bei den persischen Dichtern ist dies
vorherrschend, sie unterlassen nicht, die Schicksale ihrer
Liebespaare mit den Veränderungen der Jahreszeiten in
Verbindung zu bringen, sie gefallen sich in Landschafts-
schilderungen. Aber auch hier verwandelt sich dem be-
trachtenden Auge stets die einfache Natur in ein schil-
lerndes , unzusammenhängendes Bild. Zwei Beispiele
solcher Frühlingsbilder, beide aus dem elften Jahrhundert
unserer Zeitrechnung, mögen uns auf den Standpunkt
dieser Dichter versetzen. In dem einen heisst es: