Ihr
Verhältniss
Poesie.
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das
Gefühl
unter
dem
Einflussc
der
feurigsten
Phantasie
stand.
Es ist ein psychologisches Gesetz, dass bei einem
einseitigen Vorherrschen der Abstraction die Phantasie
wilder, stürmischer, gewaltsamer ist, sie steigt leichter
und höher, weil sie nicht an die Natur und ihre Gesetz-
mässigkeit gebunden, sie mischt die buntesten und glän-
zendsten Bilder gewaltsam, eben weil der Boden, aus
dem sie aufsteigt, trocken und unfruchtbar ist. Hier fand
sie überdies in der Grundform des Contrastes ein leichtes
Mittel des Aufschwunges und in der Sinnlichkeit einen
Antrieb. Daher entstand denn die Neigung für das Zau-
berhafte, Abenteuerliche, Unnatiirliche, aber auch für das
Zierliche, Leichte, Graziöse, welches dann wiederum in
dem Schweren, Einfachen, Massenhaften einen Rückhalt
und Gegensatz fand.
Es würde zu weit führen, wenn ich in der Geschichte,
in der Sitte und selbst in der Tracht der Muhamedaner
die Aeusserungen dieser geistigen Grundlagen näher nach-
weisen wollte; sie bieten sich fast überall leicht dar. Näher
mit unserm Zwecke verwandt ist es, sie in der Poesie
aufzuzeigen. In den altarabischen Gedichten vor und
aus Muhameds Zeit, welche uns aufbehalten sind, herrscht
noch ein sehr einfacher, kräftiger Ton, ohne Ueberladung,
sie erinnern auch in ihren Metaphern nicht selten an nor-
dische oder germanische Poesien. Im Koran selbst iinden
wir noch die Gleichnisse mit alttestameiltarischer Kraft;
die phantastischen Schilderungen sind hier noch mässig,
obgleich die Metapher schon kühn und häufig gebraucht
wird. Deutlich tritt aber das phantastische Element in
den Sagen hervor, welche als mündliche Ueberlieferungen
im Anfange des neunten Jahrhunders n. Chr. unter dem