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Die
Kunst
des
Islam.
ment, das feurige, thätige, reine, vor; es war besonders
in den eigentlichen Arabern wirksam, welche die semi-
tische Stammverwandtschaft mit den Juden nicht ver-
leugnen können. Später, nach vollbrachter Mischung mit
andern orientalischen Völkern, tritt das andre Element,
das der Einheit in Gott oder in der Natur, mehr in den
Vorgrund, bald als pantheistischer Mysticismus, bald als
starrer, gedankenloser Fatalismus, bald als üppige Schweiß
gerei. Aber allen diesen verschiedenen Gestaltungen liegt
immer dasselbe Gesetz zum Grunde, das des Contrastes,
der unmittelbaren Verbindung des Höchsten und Niedrig-
sten, des Alls und des Einzelnen, der Herrschaft und der
Unterwerfung, der Entbehrung und der Schwelgerei, der
dürftigsten Einfachheit und der buntesten Mannigfaltigkeit,
der anhaltenden Ruhe und der angestrengten Bewegung.
Wir finden es in allen Erscheinungen des muhamedani-
sehen Orients, in der Geschichte der schnell aufblühenden
und verfallenden Reiche, in den Systemen der Denker
und Philosophen, in den Liedern der Dichter, in den Anek-
doten der Chronisten wieder. Für die ruhige, stufenweise
Entwickelung, für das N ebeneiilanderbestehen verschiede-
ner, verwandter Individualitäten, fehlt ein für allemal der
Sinn; der Verstand, mit seinem Gesetze des Wider-
spruchs, bildet die Grundlage, das Gefühl, mit seiner
Verwandtschaft zur Natur kann nicht unverkümmert be-
stehen. Indessen ganz unterdrücken lässt sich das Gefühl
für die Natur überhaupt nicht, und hier fand es sogleich
durch die Sinnlichkeit, die wie gesagt gewissermassen
die Sanction des heiligen Buches erhalten hatte, Eingang.
Auf diesem Wege konnte es sich aber nur als subjective
Neigung, als Genuss oder Begierde, nicht als objeeti-
ve Anerkennung ausbilden. Dies um so weniger, als