Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Die 
Kunst 
des 
Islam. 
auch im Islam ihre Stelle fanden. In der stumpfen, be- 
harrlichen Beibehaltung alter Satzungen ohne Prüfung und 
Fortschritt gleicht der Moslem dem Bewohner des alten 
Pharaonenlandes, in der abtödtenden mystischen Versen- 
kung in eine bestimmungslose Alleinheit dem Buddhisten. 
Der selbstzerstörende Wahnsinn des Siva-Cultus wieder- 
holt sich "in den Rasereien der Derwische, und wenn sich 
die abergläubische Menge am Geburtsfeste des Propheten 
zu Boden wirft, um die Rosse der Prozession über sich 
fortschreiten zu lassen, so werden wir an jene Inder er- 
innert, die sich unter die Räder des Götzenwagens stür- 
zen. Diese altheidnischen Religionen hatten einen Vorzug; 
der Mensch ruhete in ihnen im Schoosse der Natur, er 
fühlte seinen höhern Beruf zur geistigen Freiheit nicht, 
aber er kannte auch nicht die Knechtschaft, in der er 
stand, er war frei von Zweifeln und Zwiespalt. Und auch 
diese Einfachheit und Ruhe erhielt der Islam seinen Be- 
kennern 
durch 
seine 
fatalistische 
Lehre 
der 
Vorherbe- 
Stimmung. 
Indem 
der 
Islam 
sich 
S0 
einerseits 
den 
uralten 
sichten und Gewohnheiten des Orients ansehloss, huldigte 
er andrerseits dem Gefühle einer höhern Freiheit, das 
mit dem Christenthume in die Welt gekommen war. Er 
durchbrach die Scheidewände der Völker, löste den Men- 
schen von den Fesseln der Nationalität, lehrte eine all- 
gemeine Verbrüderung und gründete diese auf ein frei- 
williges Anerkenntniss des Einzelne-n. 
Wir sehen, wie vielen Bedürfnissen und Wünschen 
der Koran entgegenkam, den alten sowohl wie den neuen. 
Sein System ist wie ein weites Kleid, das den verschie- 
densten Körperformen anpassend ist, sie alle in gleicher 
Gestalt erscheinen lässt, so gross auch ihre geheimen
	        
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