Charakter
der
A rabesken.
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die doch nicht wirklich entstehen. Der Scharfsinn in der
Führung dieser Linien, das Hinstreben nach einer be-
stimmten Figur, das Ausweichen, wenn diese ihrer Voll-
endung nahe ist, die weitere Verschlingung, die aus einer
scheinbaren Unordnung wieder zu festerer Gestaltung
übergeht und auch diese nicht vollendet, geben ein über-
aus anmuthiges Bild. Man hat vermuthet, dass mathe-
matische Studien für diese künstlichen Zeichnungen be-
nutzt wären; gewiss ist, dass die Uebung in der Auflösung
algebraischer Aufgaben und die Neigung zu künstlichen
und spitzlindigen Fragen nicht ausser Zusammenhang da-
mit stehen. Viele von ihnen sind so eigensinnig und
verwickelt, dass man sie für ein Werk des Zufalls halten
möchte; aber ohne Zweifel wurden dann solche Muster
mit Sorgfalt aufbewahrt und überliefert. In andern Ara-
besken herrscht die runde Linie vor, selten in streng
mathematischer Gestalt, höchst selten als Kreis, sondern
mehr pilanzenähnlich, doch so dass sich niemals eine
völlige Pflanzengestalt bildet. Diese Curven haben immer
einen vollen üppigen Schwung bei leichter Zierlichkeit;
sie erinnern an die kühnen Linien, welche bei der raschen
Bewegung krummer Säbel im Kampfe entstehen ü).
Ein wichtiges Gesetz ist es dann ferner, dass un-
geachtet der symmetrischen Abtheilung eine vollständige
Gleichheit der correspondirendeil Felder vermieden ist.
Innerhalb der einzelnen Arabesken findet wohl eine ge-
wisse Wiederkehr- der Figuren statt, aber in solcher
Weise, dass sie nicht bedeutend auffällt; denn diese
i") In die Klasse dieser Arabesken gehören auch die Inschriften;
die Buchstaben sind völlig zu Ornamenten geworden, in der ältern
kulischeu Schrift durch ihre graden, nur unten abschweifenden Linien
ernsten, in der spätem Nekschi-Schrift durch ihre künstlichen Ziige
mehr abenteuerlichen und wilden Charakters.