Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Architektur 
des 
Verfalls. 
Es ist gewiss, dass die griechischen Bauglieder, die man 
doch nach wie vor anwendete, hier noch mehr missver- 
standen sind als in ältern römischen Bauten. Die Säule 
in der hergebrachten Form fordert das grade aufliegende 
Gebälk, der Bogen als ein Mittleres zwischen der hori- 
zontalen und verticalen Richtung erfüllt diese Forderung 
nicht; noch mehr ist der Charakter der Säule verletzt , 
wenn sie, die 'l'rägerin der Last, hoch über dem Boden 
schwebt. Nicht minder unschön ist der gebogene Fries, 
dessen Ueberfülle zwecklos, und wenn man sie deuten 
wollte, als das Zeichen eines weichen, unzuverlässigen 
Stoffes erscheinen würde, Welchen die Last zusammenpresst. 
Allein dennoch darf man diese ungünstige Seite nicht 
allein ins Auge fassen. Neben dem widersprechenden 
und Unzusammenhängenden findet sich ein Reichthum von 
mannigfaltigen Formen, den die alte Welt bisher nicht 
gekannt hatte, und der die Phantasie mächtig reizt. Diese 
hohen Mauern mit ihren abenteuerlichen schwebenden 
Säulen und schattigen Nischen, diese wechselnden Durch- 
sichten durch die Bogen der Säulengänge geben dem 
Schönheitssinn, wenn auch vielleicht nicht dem eigentlich 
architektonischen, vielfache Nahrung und Anregung. Wir 
finden auch hier die Kunst wieder ein Bild der Zeit; in 
dem prachtvollen Landsitze des Kaisers, der in dem Ge- 
gensatze von Herrschaft und Zurückgezogenheit schon 
selbst ein Bild dieses wechselvollen, romantischen Jahr- 
hunderts War, zeigt auch sie sich in einer phantastisch 
bunten Gestalt, mit Wagnissen und Andeutungen. Selbst 
in architektonischer Beziehung" ist zu erwägen, 0b bei so 
grossen Verhältnissen und so mannigfaltigen Bedürfnissen 
eine strenge Beobachtung der antiken Architektur noch 
einen eben so günstigen Eindruck hervorbringen würde.
	        
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