Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

Volkscharakter 
u n d 
Religiosität. 
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 Der grosse Gedanke einer geglaubten und durch Of- 
fenbarung gegebenen Religion War ihm ohne Zweifel nur 
durch das Christenthum geworden. Förderlich war es 
ihm dabei, dass er nur das Christenthum des Orients 
kennen lernte, nicht das des Abendlandes. Dieses, in 
welchem die Richtung auf das christliche Leben, auf 
Busse, Gnade und Wiedergeburt stets vorherrschte, wäre 
dem flüchtigen, sinnlich. phantastischen Geiste den-Araber 
nicht zugänglich gewesen. Jenes mit seiner ausschliess- 
liehen Ausbildung des Dogmatischen, fast ganz absehend 
von der Dnrchbildung und Umgestaltung des natürlichen 
Menschen, lag ihnen viel näher. Muhained ging in dieser 
Richtung noch weiter; Allah in seiner Einsamkeit und 
Höhe kann in dem Menschen sein Ebenbild nicht haben. 
Islam heisst Ergebung in Gottes Willen, dies ist die eine 
zige Tugend; da alles vorher-bestimmt ist, so hat die freie 
moralische Selbstthätigkeit geringe Bedeutung. Der Ge- 
horsam nimmt die Stelle der Freiheit ein, statt einer 
innerlichen, selbsterzeugten Moral giebt es nur Ceremonien 
oder Vorschriften zu guten VVerken und für die Erhaltung 
einer löbliehen Ordnung. Das Gebet, mit den ausführlich 
vorgeschriebenen Waschungen , die Unterstützung der 
Armen durch Almosen, die Beobachtung der angeordneten 
Fasten und endlich die fromme Pilgerschaft zu den heili- 
gen Orten, sind die vorzüglichsten Pflichten des Moslem. 
Während aber die eigentliche höhere Freiheit dadurch 
x'öllig verschwindet, die ganze Last orientalischer Sclave- 
rei von obenher eingeführt wird, bleibt andrerseits die 
persönliche, sinnliche Freiheit um so schrankerxloser. Die 
Mitte des Lebens ist ungeregelt, die unbegränzte Willkür 
stösst unmittelbar an die unbedingte Unterwerfung; neben 
der geistigsten Lehre ist der sinnlichste Genuss, neben
	        
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