Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

Volkscharakter 
und 
Religiosität. 
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Windes, wie ihre Sage sie nennt; räuberisch, aber dabei 
edel, mässig, unermüdlich im Kampfe, gastfrei und gross- 
müthig, durchaus ritterlich gesinnt. In der nächtlichen 
Einsamkeit der Wüste, auf ihren abenteuernden Zügen 
ist ihnen die Rede, die Erzählung die liebste Erholung. 
Der Reiz des Mährchens, die Anregung. der Phantasie 
durch das Wunderbare ist Bedürfniss und Lieblingsbe- 
schäftigung; die Beredsamkeit, die Dichtergabe verleihet 
gleichen Ruhm wie die Tapferkeit. In dem alten Natio- 
nalheiligthume der Kaaba wurden die berühmtesten Lieder 
angeheftet. Der Charakter dieser frühesten Dichtungen, 
von denen uns einige erhalten sind, ist durchaus persön- 
lich und ritterlich. Der Sänger giebt uns seine Thaten, 
seine Gefühle in Hass und Liebe. Er beginnt mit dem 
Preise seines Rosses, wendet sich rasch zu der Schönheit 
der Geliebten, zum Preise des Grossmüthigen und Gast- 
freien, oder zum Tadel und Schimpf seines Feindes. 
Wir können in diesen Ziigen, bei leicht bemerkbaren 
Verschiedenheiten, eine grosse Aehnlichkeit mit unsern 
deutschen Vorältern nicht verkennen. Bei beiden N ationen 
war die freie Stellung des Einzelnen überwiegend gegen 
seine Unterordnung unter das Ganze, das Volk vereinigte 
sich schwer zu einem Staate. Ein orientalischer Tacitus 
hätte 
Araber 
die 
leicht 
in 
einem 
historischen 
Roman 
den 
Mitbürgern seines despotischen Staates als Muster" auf- 
stellen können. Der Contrast Würde selbst grösser ge- 
wesen sein, da bei den übrigen Orientalen der Zusam- 
menhang des Staates fester, die Freiheit des Einzelnen 
mehr aufgehoben war , als selbst im römischen Kaiser- 
reiche , und auf der andern Seite die Absonderung des 
Einzelnen bei den herumschweifenden Arabern grösser 
war, als bei den ackerbauenden Germanen. Dabei fehlte 
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