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Byzantiner,
Armenier,
Russen.
heitsgefühl, aber ein sehr schwaches, in kirchlicher Be-
ziehung war es nur abwehrend, nur zur Bewahrung der
ersten Ueberlieferung, ilicht zu freier Erzeugung stark ge-
nug; in politischer Beziehung empörte es sich nur gegen
die Fremdherrschaft, nicht gegen innern Druck. Daher
blieb denn auch ihre Kunstleistung nur eine beschränkte.
Man kann die individuelle Befähigung zur Kunst auch
unter einem andern Gesichtspunkte betrachten, in Bezie-
hung auf das Verhältniss des Geistes zur Natur. In
diesem liegt die Ursache, wenn bei regem Freiheitsgefühle
und vollem Freiheitsgenusse sich dennoch keine Kunst
entwickelt i). Allein auch hier steht die fehlerhafte Ansicht
mit einem Mangel an wahrer moralischer Freiheit in Wech-
selwirkung; sie entspringt aus ihm , oder bringt ihn hervor.
Im gesunden und Wünschenswcrthell Zustande der Dinge
sieht der freie Mensch mit Liebe auf seine Mitgeschöpie,
achtet in ihnen, wie in sich selbst, die göttliche Schöpfung.
In der Noth der Sclaverei oder im Hochmuthe geistiger
Ueberhebung sind sie ihm nur Gegenstände des Genusses.
Bei diesen Völkern, die wir hier betrachtet haben, bedingte
schon die Auffassung der religiösen Offenbarung zugleich
eine knechtische Unterwerfung und eine Unempfänglichkeit
gegen die Natur. Wenn die Lehre der Religion als eine
fremde, dunkele, unverständliche, höhere betrachtet, wenn
sie nicht aus freien moralischen Antrieben anerkannt, nicht
als die Wurzel und Regel freier moralischer Ausbildung an-
gesehen wird , trennt sie den Geist von der Natur, beraubt
diese ihrer geistigen Bedeutung. Nur dann wenn das Chri-
stenthum als die Krone und Spitze des Schöpfungswerkes,
desselben, Welches auch die Natur erschuf, angesehn wird,
dann giebt es wahre Freiheit, aber auch freilich die höchste.
Beiläufig gesagt, liegt hierin auch die Ursache, weshalb der
moderne Bepublikanismus immer künstlerisch unfruchtbar ist.