Ursachen
ihrer
künstlerischen
Schwächen.
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werden
Wir
imm er
mehr
auf das
moralische
Gebiet
gedrängt, im sittlichen Leben der Völker müssen
wir suchen, was einer bessern, freiem Entwickelung ent-
gegenstand. Ist die Kunst ein allgemeines Bedürfniss und
Erforderniss der menschlichen Natur, ist sie in der allge-
meinen, idealen Anlage derselben gegeben, so fragt sich,
durch welche Fehler, durch welche Versündignngen sie
hier zurückgehalten und entstellt wurde. Ueber Völker
sitzen wir freilich nicht zu Gerichte, wie über Einzelne;
ihre Natur ist eine dämonische oder physische, ihre Ver-
schuldungen sind nicht völlig freie. Aber in die Erkennt-
niss der Dinge dringen wir nur ein , wenn wir sie rück-
sichtslos betrachten.
Bei den Byzantinern war die Verkettung gr0ssen-
theils eine unvermeidliche; wir sahen wie bei ihnen die
'l'radition antiker Civilisation mit der Aufgabe des Chri-
stenthums im Widerspruche stand, wie sie in diesem Wi-
spruche sich verwickelten. Erst da begann eine Verschul-
dung, als sie, den freien Geist des Christenthums nicht
verstehend, sich mehr und mehr orientalischer Sclaverei
zuwendeten. Die Armenier und Russen hatten jenen
Zwiespalt nicht zu überwinden; sie waren roh und un-
befangen, als sie das Christenthum und seine Kunst auf-
nahmen. Bei ihnen sind wir daher unbedingt auf das
Moralische angewiesen.
Ohne Zweifel erscheint die Nationalität der Armenier in
einem günstigem Lichte. Die Aufnahme des Christenthums
war bei ihnen eine freiere, sie folgten nicht dem Befehle
eines Fürsten, sie wurden von der Begeisterung ihrer
bekehrten Landsleute fortgerissen, sie erkämpften sich
den neuen Glauben. Auch in der Bewahrung der Heilslehre
zeigen sie sich kräftig und selbstständig, sie prüfen und