Sculptur und
Malerei.
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ihre Vorbilder an; sie wussten es nicht besser, sie fühlten
nicht einmal den Rest des Lebens, der noch darin erhal-
ten, viel weniger also, was daran mangelhaft war. Diese
seelenlose Auffassung verband sich aber mit dem An-
dachtsgefühl; die Religion hatte ein für allemal den Cha-
rakter des Fremden, die in ihrem Dienste stehende Kunst
durfte sich dem Leben nicht nähern, sie erfüllte ihren
Zweck um so mehr, je mehr sie den Ausdruck des Er-
starrten, Abgestorbenen behielt. Ein höheres, künstleri-
sches Religionsgefühl, welches im Lebendigen seinen
Gott erkannte, regte sich nicht. Die Despotie trug dazu
bei, jeden leisen Anfang einer solchen Regung zu unter-
drücken; schon im sechszehnten Jahrh. (1551) wurde es
durch einen Befehl des Grossfürsten zum Gesetz erhoben,
dass alle Heiligenbilder so gemalt werden sollten, wie
die des Andreas Rublew, eines Mönchs vom Ende des
14. Jahrhunderts ü), und die religiöse Kunst der Russen
fügte sich diesem Gebote geduldig und machte den leicl1-
ten Versuch, es unvermerkt zu umgehen oder zu unter-
graben, nicht.
Vergleichen wir diese Richtung mit der Architektur,
S0 scheinen auf den ersten Blick beide Künste ganz ent-
gegengesetzte Wege zu gehen; die Bauwerke sind prun-
kend , bunt, willkürlich, sie haben fremden Formen und
Ansichten Einfluss gestattet; die Gemälde sind bis zum
Absehreckenden trübe, sie halten sich ängstlich an ural-
tes Herkommen. Innerlich steht aber beides in naher
"Verbindung, lliesst aus derselben Quelle; wir begreifen
beides, wenn wir die religiöse Richtung des russischen
Volkes ins Auge fassen. Die Frömmigkeit besteht hier
hauptsächlich in der strengen Erfüllung vorgeschriebener
Strahl
Il. 266.