Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Die 
russische 
Kunst. 
ein ganzes Volk von Heiligenbildern, jedes Wohnzimmer 
des Russen hat wenigstens eines. Es hängt dem Eingange 
gegenüber, damit der Eintretende es sogleich wahrnehme, 
sich davor bekreuzige und sein Knie beuge, bevor er die 
lebenden Bewohner begrüsst. In den Häusern reicher 
Bauern ist oft eine ganze Sammlung solcher Bilder. Der 
Styl dieser Malereien schliesst sich enge an den spät- 
byzantinischen an, den Russland bei seiner Bekehrung 
überliefert bekam. Aeltere slavische Tafelgemälde stehen 
den byzantinischen so nahe, dass man sie nur durch die 
Inschriften unterscheidet, und noch heute ist dieser Styl 
völlig erhalten, nur dass der letzte Rest des Lebens daraus 
gewichen ist. Es ist ein eigenthümlichei- Zug der slavi- 
sehen Frömmigkeit, dass sie an ihren Heiligen einen 
dunkeln, bräunlichen, fast schwarzen Ton der Carnation 
liebt, ohne Zweifel in Erinnerung an die alten, dem Evan- 
gelisten Lucas zugeschriebenen Bilder ihrer Kirchen, 
denen ein dicker Firniss, durchdrungen von dem Qualm 
der Lampen und Kerzen schon längst diese Färbung ge- 
geben hatte. Diese Bilder werden dann mit Gewändern 
von getriebenem Golde oder Silber, die an besonders 
verehrten Exemplaren mit Edelsteinen geschmückt sind, 
belegt, so dass nur der braune, langgezogene Kopf und 
die mumienartigen Hände sichtbar sind und die glänzende 
und körperliche Umhüllung das Dunkel des Colorits und 
die starre Magerkeit der Zeichnung noch auffallender 
macht. Solche Bilder werden in den Klöstern fabrikmässig 
verfertigt, jeder Mönch und jede Nonne sind gewöhnlich 
auch Maler; eine besondere Anlage wird nicht gefordert, 
es ist gemeines Werk des Fleisses. 
Gewiss schlossen sich schon die ersten Russen, wel- 
che nach byzantinischen Meistern malten, Usclavisch an
	        
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