300
Die
russische
Architektur.
durch
das
bunte
Wirrsal
dieses
Schmuckes
Verkündi-
genili).
Glockenthürme sind erst in neuester Zeit mit den
Kirchen verbunden, in den eigentlich russischen Bauten
stehen sie abgesondert; im Kreml von Moskwa dient ein
Glockenthunn (Iwan Weliki) für alle dort beiindlichen
Kirchen. Diese Thürme bestehen immer aus mehreren,
sich verjüngenden, meist achteckigen Stockwerken, auf
der Basis eines viereckigen; sie sind häufig mit einer
Spitzsäule gekrönt, auf welcher noch eine flache, zwie-
belartige Kuppel wie ein kolossaler Thurmknopf aufliegt.
Am Fusse dieser Spitzsäule befindet sich oft. ein sonder-
barer Zierrath; es sind kleine Giebel von kreisrunder,
ogivaler oder kielförmiger Aussenlinie ringsumher ange-
gebracht, meistens in mehrern Reihen übereinander auf-
steigend, aus denen der obere Aufsatz wie aus einer
Blätterkrone hervorwächst. Ein höchst bizarrer, unschö-
ner, der russischen Architektur völlig eigenthümlicher
Schmuck.
Die Ausbildung dieses Styls scheint in das 16. und
17. Jahrhundert zu fallen; Wir können sie einigermassen
verfolgen. Der Kreml inMoskwa, der Sitzder Beherr-
scher des Landes, kann uns unbedenklich dabei leiten.
An jene zwei Hauptkirchen des Kreml, die ich oben er-
wähnte, reiht sich der Zeit nach ganz nahe die dritte an,
die Kirche der Verkündigung (Blagoweschtschenskoi
Saborr). Sie wurde von einem italienischen Architekten,
Aloisio, erbaut (MSEIQIÖOS) und zeigt noch in den we-
sentlichen 'l'l1eilen byzantinische Ueberlieferung, jedoch
1') Das Kloster Kyrillof am Onegasee hat 24 Kuppeln, das Städt-
chen Ustjug-WVeliki von 10,000 Fliuw. 30 Kirchgn mit 120 Thürmel
oder Kuppeln. Blasius n.a. O.