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Die
russische
Architektur.
dem Volke hervorgegangen, als ob er von Fremden er-
funden sei, um damit der Bizarrerie und Neuerungssucht
der Gewalthaber zu schmeicheln, als 0b es der abend-
ländischen Consequenz bedurfte, um auf russischem Boden
diese andre frenldartige, morgenländischerRichtung zur
Reife zu bringen.
Es ist nicht leicht, diesen Styl zu beschreiben, denn
an einem festen, innern Bildungsgesetze fehlt es ihm völ-
lig. Die byzantinischen Reminiscenzen sind noch nicht
ganz verschwunden. Der Grundriss ist noch gewöhnlich
ein Quadrat, etwa durch die mit in das Innere hineinge-
zogene Vorhalle [von grösserer Tiefe als Breite, doch
linden wir auch unter Umständen andere Anlagen. Das
Mauerwerk ist in Ziegeln ausgeführt und mit Stuck be-
kleidet, die Decke im Tonnengeivölbe, der Rundbogen
herrscht "vor. Nur zuweilen kommt als blosser Zierrath
oder an Nebentheilen, an Treppen und Säulengängen im
Aeussern der s. g. Kielbogen vor, aus zwei durch
eine Spitze verbundenen Wölbungen bestehend; eine
Form, welche an das Zelt der Mongolen erinnert und in
den muhanlcdanmischen Bauten Persiens und Indiens häufig
ist. An fortlaufenden Gewölben findet dieser Bogen sei-
ner Natur nach nicht Anwendung; sie sind alle tonnen-
artig, auch das Kreuzgewölbe ist der russischen Archi-
tektur unbekannt. Die Facade ist schmucklos, die Thüre
niedrig, mit einem Rundbogen, über welchem oft ein Hei-
ligenbild mit einem Regendach angebracht ist. Die Fenster
sind klein, ebenfalls mit einem einfachen oder mit zwei
verbundenen Rundbogen gedeckt, zwischen denen dann
die Spitze hier frei herabhängt und von keiner Säule ge-
stützt ist, so dass die Oeffuuilg eine herzförmige Gestalt
hat- Die Wandfläche ist im Aeussern gewöhnlich durch