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Die
russische
Architektur.
an f). Unter allen diesen verschiedenartigen Einwirkungen
entwickelte sich nun der Styl der russischen Architektur.
Bereits längst war Kiew nicht mehr die Hauptstadt
des Reiches, es hatte diese Würde zuerst an Wladimir,
dann an Moskwa abtreten müssen. Seit 1328 war der
Sitz des Grossfürsten und des Metropoliten hierher ver-
legt und die, früher unbedeutende Stadt zu einigem An-
sehen gelangt. Allein die beständigen Kriege und wieder-
holte Feuersbrünste hatten es noch nicht gestattet, die
neue Residenz gleich den alten Hauptstädten, Kiew,
Nowgorod, Wladimir zu schmücken; noch Waren nicht
bloss viele Häuser, sondern selbst die Mauern von Holz
und die alte, im vorigen Jahrhunderte gegründete Kathe-
drale drohete den Einsturz. Eine neue Hauptkirche wurde
begonnen, stürzte aber, der Vollendung nahe, wirklich
ein, und der Grossfürst verzweifelte. nun, mit einheimi-
schen Meistern auszureichen. Die Angelegenheit schien
ihm wichtig genug, um eine eigne Gesandtschaft an den
Dogen von Venedig abzusenden, durch deren Bemühungen
auch wirklich der Baumeister Ridolfo Fioravanti aus
Bologna, mit dem Beinamen Aristoteles, zur Annahme des
Rufes bewogen wurde. Auf eine Aenderulag des Styls
war es hierbei nicht abgesehen; in kirchlichen Dingen
hielten die frommen Russen strenge an der hergebrachten
Form fest. Der Künstler wurde ehrenvoll in Moskwa
empfangen (1475), aber angewiesen, sich nach einem be-
stimmten Vorbilde, nach der altern Metropolitankirche von
Russland, der Kathedrale von Wladimir, zu richten. Er
h) So sehr sie auch zuweilen die russische Barbarei erschreckte.
So als der Arzt Leo, weil es ihm nicht gelungen war, den erkrank-
ten Prinzen zu heilen, hingerichtet wilrde. Strahl a. a. O. IL, 379.
Auch der Baumeister Fioravanti wollte fliehen, wurde aber fest-
gesetzt.