Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

Mischung heidnischer u. christl. Elemente. I5 
Coustantin des G-rossen als eine entscheidende Gränze 
der heidnischen und christlichen Aera an, weil er zuerst 
das Kreuz auf seine Fahnen pflanzte und die christlichen 
Kirchen öffnete. Allein, wenn man auf die innere Um- 
wandlung der Denkungsweise sieht, können wir hier eine 
solche Gränze nicht finden. Schon vor ihm hatte sich 
unvermerkt manches Christliche in die römischen Ver- 
hältnisse eingedrängt und sie modificirt, und nach seiner 
Zeit wuchs diese Einwirkung des christlichen Geistes 
lteinesweges so schnell und bedeutend, dass Inan schon 
jetzt eine grosse Veränderung wahrnehmen könnte. 
Vielmehr bildet diese ganze Periode, ungeachtet der 
verschiedenen, wider-strebenden Elemente des heidnischen 
und christlichen Geistes, die in ihr wagten, in Beziehung 
auf das geistige Leben, auf Stimmung und Richtung der 
Gemüther dennoch ein Ganzes, einen untrennbaren Ver- 
lauf, in welchem der Verfall der antiken Weise und die 
Förderung des christlichen Sinnes oder doch verwandter, 
wenn auch entarteter Gefühle gleichmässig fortschritten. 
Denn Keiner vermochte sich den Einflüssen dieser christ- 
lichen Richtung ganz zu entziehen. Deutlich sehen wir 
dies an den Vertheidigern des Heidenthums, an den neu- 
platonischen Philosophen, welche den alten Göttergestal- 
ten andre Gedanken unterzulegen versuchten und ihre 
Vielheit auf eine innere Einheit göttlichen Lebens zurück 
deuteten, an dem Kaiser Julian, dem Abtrünnigen, wel- 
cher dem ihm verhassten Christenthume seine moralische 
Kraft, seine Liebesäusseruiigeii und Wohltliätigkeit zu 
entlehnen strebte i). Aber ebenso waren auch die Christen, 
i) Noch deutlicher sehen wir diese Mischung des Heidnischen 
und Christlichen bei denen, welche keiner beider Lehren mit Eifer 
anhingcn. S0 bei dem (loschichtschreiher Alnmianus lilarcellinus. Dass
	        
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