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Die
russische
Architektur.
sehen Künstlern im russischen Reiche auch andre Frem-
de, wahrscheinlich Deutsche, erwähnte].
Bei einem Volke von bereits ausgebildeter eigen-
thümlicher Kunstrichtung würde dieser Andrang fremd-
artiger Formen spurlos vorübergegangen oder durch Mit-
theiluxig technischer Vortheile nützlich geworden sein;
aber auch ohne solche N aturanlage würde bei einem Volke
von geistiger Regsamkeit in diesem Momente die Natio-
nalität sich mächtig erhoben haben. Der glückliche Kampf
mit den Mongolen , die endliche Befreiung von dem
schmählichen Joche musste den Russen Selbstgefühl ver-
leihen, wenn sie dessen fähig gewesen wären. Allein ihre
moralische Kraft War im Laufe der Geschichte immer
mehr unterdrückt; der Sinn für Freiheit, welcher, freilich
in rohester Gestalt, bei ihnen anfangs bemerkbar war,
unterlag zuerst der Demüthigung eines äusserlichen und
sinnlichen Cultus, dann der erniedrigenden Herrschaft eines
rohen Volkes, endlich der Tyrannei ihrer eigenen Blürsten
und Grossen, welche während jener unglücklichen Jahr-
hunderte ungehindert um sich gegriffen hatte. Wohl er-
leichterte die grosse Bodenfläche des Landes dem Volke
eine gewisse, passive Bewahrung der Nationaleigenthüm-
lichkeit; es war nicht möglich, dass fremde Einflüsse,
zumal so getheilte und widerstrebende, hier durchdringen
und zur Herrschaft gelangen konnten. Allein eine solche
passive Beharrlichkeit genügte nicht, um höheres geisti-
ges Leben zu erzeugen. Auf" allen geistigen Gebieten
war völliger Stillstand, wir dürfen in der Kunst nichts
anderes erwarten. Es ist ein bemerkenswerthes Er-
eigniss ,
dass
unmittelbar
nach
der
Befreiung
VOII
den
Strahl a. a. 0. Th. I. S. 295. Th. II. S. 148,
Adelung, die Korssunschen Thüren, Berlin 1823.
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