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Die
russische
Architektur.
nicht mit einem graden Gesims, sondern mit einer Reihe
bogenförmiger Giebel bekrönt. Drei 'l'hüren führen von
den drei, nicht zum Chore verwendeten Seiten in das
Innere, das durch schmale, hochgelegenc, im Halbkreise
gedeckte Fenster nur schwach erleuchtet ist.
Dieser Styl, eine entschiedene Nachahmung des by-
zantinischen, erhielt sich noch das 12. Jahrhundert hin-
durch. Die Kathedrale von Wladimir, im Jahre 1152
durch Juriew Wladimirowitsch erbaut, zeigt noch ganz
dieselben Formen , nur mit einer weitem Ausbildung,
welche sie jedoch ohne Zweifel auch byzantinischen Vor-
bildern verdankt. Die Giebel, welche von den Tonnen-
gewölben bogenartig begränzt sind, werden durch vor-
tretende Wandpfeiler scheinbar gestützt, die Wandiläehen
dazwischen sind arabeskenartig verziert. Die Wölbung
der Conchen ruht auf einem Gesimse, unter welchem ein
Bogenfries, fast Wie an deutschen Kirchen, herumläuft.
Die grosse Aehillichkeit dieser im Laufe von mehr
als einem Jahrhundert erbauten Kirchen ist sehr auffal-
lend, wenn man sie mit der Mannigfaltigkeit der Formen
vergleicht, die der byzantinische Styl im weiten Umkreise
des Gebiets, das er beherrschte, und selbst in seiner
Mutterstadt beständig in Anwendung brachte. Indessen
ist es schon an und für sich erklärbar, dass man in einem
Lande der Nachahmung sich mit ängstlicher Unterwür-
{igkeit an die Vorbilder, welche überliefert waren, an-
schloss, und wir. werden es auch sonst als einen Charak-
terzug der Russen finden, dass sie, wenigstens in kirch-
lichen Dingen, an der äussern Erscheinung festhalten und
nicht gern die geringste Abweichung gestatten. Daher
ist es begreiflich, dass die Bauformen, welche die her-
beigerufenen byzantinischen Baumeister zuerst angewendet