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Verfall
des
römischen
Reichs.
des Reiches nicht mit, wohl aber mittelbar, indem es
manche Gemüther und zwar oft die tiefsten und besten dem
heidnischen Staate entzog. Der neuen Lehre flossen
grossentheils die Lebenssäfte zu, deren der siechcnde
Körper des römischen Reichs bedurfte, die aber doch in
ihm nicht mehr im. gesunden Umlaufe waren. Alle jene
verirrten religiösen Bestrebungen waren eine Folge da-
von, dass man nicht mehr an die alten heidnischen Götter
glaubte, dass der Sinn über ihre natürliche Aeusserlich-
keit hinaus in das Höhere und Innere hineinstrebte. Sie
waren daher alle aus einem wahren, begründeten Be_
dürfnisse der Gemüther hervorgegangen , so einseitig,
willkürlich und selbst lasterhaft sie auch ausgebildet
wurden. Nur das Christenthum vermochte die Sehnsucht,
aus welcher sie entstanden, wahrhaft zu befriedigen, und
wirklich erhielt es so manche seiner Jünger aus den
Schulen der Philosophen und auslden Weiheplätzen der
Mysterien Diese Sehnsucht untergrub die Römerwelt,
nicht das Christenthum. Aber freilich ihm kam der Verfall
des Reichs zu Statten, auf seinen Trümmern erst sammelte
sich frische Erde, in welcher die Saat gedeihen konnte.
Jenes, in Beziehung auf die Formen des Alterthums be-
trübende Schauspiel hat daher auch seine erhebende Seite,
es zeigt den Sieg des Christenthums.
Freilich war aber dieser Sieg kein schneller, er führte
nicht sogleich zu den schönsten Resultaten , vielmehr
musste eine Reihe von Jahrhunderten vorübergehen, be-
vor das Christenthum sich seines Sieges unbedingt er-
freuen durfte. Man nimmt gewöhnlich die Regierung
4') Nonnns, im 4.. Jahrh. in Aegypten, der Verfasser einer
metrischen Unlsclzreibulng des Johnnneischeiz Evangeliums schrieb auch
Divllysiaca. Schröckh, Kirchengeschichte B. 7'. S. 93.