Verbreitung
des
Christenthums.
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gaben sich denn die Nachkommen der edeln Häuser Roms
der schimpflichsten Weichlichkeit hin. Neuen Geschlech-
tern und barbarischen Miethstruppen den Krieg und die
Herrschaft überlassend, prahlten sie mit den eiteln Zei-
chen ihrer Würde, mit der Ueppigkeit des Mahls und
der Tracht, füllten ihre Zeit mit der leeren Freude an
Thierspielen und den Leistungen der Tänzer, und eine
Seefahrt in der Bucht von Bajä, mitten unter ihren kost-
baren Landhäusern galt für eine gefahrvolle, wichtige
That
Die Geschichte dieses Verfalls der alten Welt giebt
ein trauriges Bild für den, der ihre schönere Zeit mit
Bewunderung betrachtet hat, und nun alles so verändert
sieht. Dieselbe Sprache, aber wie gemissbraucht; die-
selben Namen, aber von wie unwürdigen Enkeln geführt,
dieselben Gebräuche, aber wie so ganz ihrer eigentlichen
Bedeutung beraubt! Allein nur eine einseitige Betrach-
tung nimmt bloss das Betriibende in diesem Bilde wahr,
da es auch höchst Erfreuliches gewährt. Mitten unter
diesem Verfall der alten Sitte drangen die ersten Keime
eines höhern Zustandes aus dem Boden hervor. Das
Christenthum begann die Welt zu durchbilden. Man hat
darüber gestritten, 0b das Christenthum diesen Verfall
herbeigeführt habe, mit einem offenbaren Missverständ-
nisse auf beiden Seiten, sowohl von denen, Welche ihm
eine solche Wirkung zuschrieben , als von ihren Gegnern,
welche sie mit Entrüstung verneinten; denn es wäre
kein Vorwurf, das Reich der heidnischen Welt gestürzt
und ein Höheres an seine Stelle gesetzt zu haben. Beide
'l'heilß sind nicht ganz im Unrecht. Absichtlich und
gradezu wirkte natürlich das Christenthum zum Umsturz
i) Ammian. Marc. l. 14. c. 6. I. 28. c. 4.