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der Sinn für Harmonie und Ordnung noch nicht verloren;
nur das Individuelle und Lebendige ist daraus gewichen.
Ebenso verhält es sich bei den spät byzantinischen Kunst-
werken anderer Gattungen. Grade diese Verbindung
allgemeiner Kunstgesetze mit der leblosen Auffassung
der lebendigen Gestalt macht einen schauerlichen Ein-
druck. VVährend wir uns von rohen Sudeleien mit Gleich-
gültigkeit abwenden, fesseln uns diese Arbeiten einer er-
storbenen Kunst (wenigstens die ersten welche wir ken-
nen lernen) in gewisseln Grade; wir betrachten sie frei-
lich mit sehr gemischten Gefühlen, sie erfreuen uns nicht,
aber sie beschäftigen uns wie das Ilässliche in der Natur.
In der That ist es auch nicht zu glauben, dass diese Ge-
stalten nur durch Unkenntniss und Rohheit entstanden
sind. Gewiss trug es viel dazu bei, dass die Kunst mehr
in handwerksmässige Hände überging, welche in gedan-
kenloser Nachahmung ihrer Vorbilder die Formen immer
starrer, einförmiger, naturividriger machten. Allein den-
noch würde bei dem Besitze technischer Mittel einer
oder der andere sich wenn auch ungeschickt, in einem
freiern Sinne versucht haben, wenn nicht das Starre und
hlumienhafte für den herrschenden Geschmack eine Be-
deutung gehabt hätte. Auch ist es begreiflich, dass ein
knechtischer, abergläubischer Sinn an allem Freien und
Lebendigen Anstoss nimmt, dass das Starre und Ent-
stellte ihm ein demüthigendes Gefühl giebt, das ihm -für
Frömmigkeit gilt, und dass sich dann der letzte unver-
tilgbare Rest des Schönheitssinnes soweit verbildet, um_
die Formen, welche dazu dienen, für schön oder erhaben
ZU
halten.