Verfall
des
römischen
Reichs.
Kaiserregierungen vorüber waren. Die vortrefflichen
Fürsten aus dem flavischen und antoninischen Geschlechte
brachten dann noch die Frage der Verwaltung zur Voll-
endung und. der Geist musste sich nun auf etwas anders
richten. Die griechische Religiosität war der römischen
freilich sehr verwandt, aber doch abweichend; auch sie
hatte zunächst eine äussere sittliche Ordnung im Auge,
aber dies Aeusserliche war nicht so entschieden der
hauptsächlichste Gesichtspunkt. Die innere Schönheit des
Menschen, etwas Idealeres und Allgemeineres schwebte
ihr vor. Ihre Sittlichkeit hatte auch nicht den Schein
des Conventionellen, sondern machte auf Natürlichkeit
Anspruch. Ueberdies hatte die griechische Weltansicht,
als die Römer mit ihr in nähere Berührung kamen, schon
jene nationale und politische Beziehung mehr verloren,
das allgemein Menschliche war deutlich hervorgetreten ,
und jene asiatischen Lehren von einer N atureinheit hatten
Eingang und Ausbildung gefunden. Je mehr nun römi-
sche und griechische Auffassung sich verschmolzen, je
mehr die praktische Richtung der Italier sich der frei-
phantastischen Mythen und Philosopheme der Griechen
bemäehtigte, desto mehr musste man fühlen, dass jene
äussere Weltordnung nicht das Höchste sei. Man erkannte
in ihr einen blossen Schein, man suchte nach dem WVesen,
das dahinter verborgen sein musste. Die Aufgaben und
Zweifel, welche früher nur als müssige und geistreiche
Unterhaltung die edeln Römer beschäftigt hatten, wurden
nun eine Herzensangelegenheit des Volks. Die Gernüther
wurden beunruhigt, geängstet; zweifelnd an den alten
Göttern, suchten sie neue, mehr verheissende. Wie
schon früher Alexandrien, so wurde nun Rom in viel
grösserem Maassstabe und mit viel tieferer Wirkung der