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Zweite
Periode
der
byz.
Plastik
Malerei.
Hoffnung auf die Erlösung und Vergeltung durch ihren
Ileiiand trösteten, so reichte dies nicht mehr aus; die
neuen Märtyrer hatten diese Hoffnung mit ihren Gegnern
gemein, sie konnten sie nicht für sich ausschliesslich in
Anspruch nehmen. Sie mochten sich daher zu ihrem
Troste an das Leiden des Herrn selbst erinnern, sich
durch die lebendigste Vorstellung desselben stärken wol-
len. Ueberhaupt waren die Gemiither härter geworden;
es genügte nicht mehr, sie durch den Anblick der Herr-
lichkeit zu erheben, sie bedurften auch der Erschütterung.
Schon das Gefühl, welches die grossartige, aber starre
Erhabenheit der musivischen Gestalten einflösste, hatte
eine Verwandtschaft mit der Furcht, wenn auch nur als
Ehrfurcht. Um es noch zu steigern, die Seele noch tiefer
zu bewegen, schien das Grauenhafte und Schauerliche
ein geeignetes Mittel. Der Sinn des byzantinischen Volks
war durch die lange Gewöhnung an knechtische Demuth,
durch das häufige Schauspiel entwürdigender Leibesstra-
fen schon so abgestumpft, dass er für jene einfache Ho-
heit nicht mehr empfänglich war und stärkerer Reizmittel
bedurfte.
In jenem Codex des neunten Jahrhunderts finden wir
diese Richtung noch in ihrem Beginne. Zwar zeigt sich
schon hier die Neigung zur Darstellung des Leidens; die
Martyrien der zwölf Apostel sind ebenfalls abgebildet.
Allein der Erlöser am Kreuze hat noch etwas von der
Würde der frühern Auffassung; er steht in ruhiger Hal-
tung auf dem Fussbrette, mit gradem Leibe, ausgestreck-
tenArmen, während er später mehr an den angenagelten
Händen hängt, mit gesenktem Haupte und auswärtsge-
bogenem Leibe. Bald aber nalnn das Wohlgefallen an
diesen schauerlichen Stoffen immer mehr zu; man ver-