Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Zweite 
Periode, 
der 
byz. Plastik 
u. Malerei. 
suchungen, man berührte das neue Verhältniss, in welches 
die bildende Kunst durch das Christenthum gestellt war, 
bevor die Zeit gekommen, es zu ergründen. Die Gegen- 
sätze der Natur und des Geistes, des Göttlichen und des 
Menschlichen, welche die Kunst in ihrer Weise aufzu- 
heben und auszugleichen hat, waren im Christenthume 
allzuscharf aufgezeigt, um sie noch länger, wie die heid- 
nische Welt es wenigstens praktisch gethan hatte, zu 
ignoriren. Wenn der Grieche die Natur, den Menschen 
betrachtete, so blieben sie ihm nicht einzelne, mangel- 
hafte Erscheinungen, sie belebten sich ihm im Augenblicke 
zu göttergleichen Gestalten; seiner Phantasie erschien 
daher die Wirklichkeit, selbst da wo es auf blosse Por- 
trätähnlichkeit ankam, in einer idealen Verklärung. Die 
Christen mussten sie in ganz anderm Lichte erblicken. 
Der Sohn Gottes war wirklich Mensch geworden, hatte 
sich in die Schmach des Erdenlebens begeben; es war 
daher von vornherein auf diese Wirklichkeit Gewicht 
gelegt, aber in einem Sinne, der zugleich ihre Niedrigkeit 
und Unwürdigkeit betonte. Man konnte daher den Contrast 
zwischen dem Göttlichen und dem Wirklichen niemals 
ganz vergessen, und die Kunst, wenn sie ihrem Wesen 
nach ihn aufheben und versöhnen sollte, war darauf hin- 
gewiesen, Beides tief zu ergründen und die Punkte der 
Vermittelung ausfindig zu machen. Dazu musste also 
zunächst das Göttliche in möglichst lebendiger Weise 
sich in den Gemüthern gestalten, dann aber auch die 
Natur gründlich empfunden, in allen ihren Bestimmungen 
aufgefasst und von christlichem Geiste durchbildet wer- 
den. Dies war nicht die Arbeit Einzelner, sondern einer 
langen Reihe von Generationen, durch welche dies Ge- 
fühl christlicher Naturanschauung allmälig Weiter durch-
	        
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