198
Erste
Periode
der
byz.
Plastik
Malerei.
belebt, Eigenthum der christlichen Welt werden. Dazu
konnte aber diese Zeit unmöglich gelangen; der christ-
liche Sinn war noch zu schwach und unsicher, um sich
an ein unbelhngenes Aulfassen der heidnischen Welt zu
wagen; diese War noch zu nahe, sie beherrschte die
Gemüther noch wider ihren Willen. Jene organische
Durchdringung der natürlichen Schönheit, die sich in der
alten Welt gestaltet hatte, mit dem christlichen Geiste
blieb daher noch eine ferne Aufgabe, und dieser frühe
kirchliche Styl erscheint nur als eine erste, wenn auch
sehr bedeutungsvolle Andeutung des künftigen Zieles
christlicher Kunst.
Man hat wohl geglaubt, dass priesterliche Vorsicht
den Künstlern die starre Würde, wie sie in den spätem
Werken immer lebloser hervortritt, vorgeschrieben hätte,
um einen kirchlichen Eindruck zu bewirken?) Gewiss
mit Unrecht, auch die Bilder weltlicher Art trugen den-
selben Charakter; es war die Gesammtwirkung der gei-
stigen Elemente der Zeit, des abgestumpften Formsinnes
und der moralischen Erstarrung, welche sich das Grosse
und Hohe nicht in vollem, freicln Leben denken konnte.
Man glaubte damals wie immer das Leben zu erreicheniiäi).
Gewöhnlich geht diese Behauptung von den Gegnern der
Kirche aus, doch kommt sie auch bei ihren Freunden vor. S0 noch
wieder Jules Renouvier (Notes sur les monuments gothiques de
quelques villes_d'ltalie, Caen 1841 p. 121.). Die Priester führten nach
seiner Meinung dies System ein, um der Abgötlerei vorzubeugen;
deshalb hielten sie die Künstler fern von der Natur, schrieben ihnen
die starre Haltung vor, und brachten so das Heidenthuln um so
sicherer in Vergessenheit.
H) S0 wird noch in dem Menologium des Vatican aus der Zeit
Basilins Il. (9821-1025) geriihnzt, dass darin die Gestalten lieblich
wie die Natur sie zeige, dargestellt seien. S. die Inschrift bei Aglnc.
peint. tab. 31. Nr. 34: