Charakteristik
des
Styls.
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hand gemachten Bildern zeigt und beförderte die Suchwäche
des Kunstsinnes. Denn mussten nicht solche Bilder schon
einen Ausdruck des Wunderbar-eh, Ungewöhnlichen, Un-
lebendigen haben, und fand nicht der Künstler in dieser
Tradition ein Motiv diesen Formen sich anzuschliessen?
Nirgends war daher ein Antrieb zu freiem künstlerischen
Streben. Hiezu kam noch die artistische Tradition des
Alterthums; denn auch in ihr hatte man überlieferte,
durchbildete Formen, an denen nichts mehr zu schaifen
war, nichts, was den Geist Wach und thätig erhalten
konnte. Zwar war diese 'l'raditi0i1 noch frisch und leben-
dig genug, um mit Verständniss behandelt zu werden
und sich Jahrhunderte lang zu erhalten; aber sie hatte
doch schon lange aufgehört, das Eigenthum, das Selbst-
erzeugte der lebenden Geschlechter zu sein, sie musste
allmälig erstarren. Auch waren diese Formen aus einem
andern Geiste hervorgegangen, aus dem Geiste der Kraft
und der That; sie konnten daher nur sehr bedingt einer
geistigen Richtung dienen, in welcher das Leiden vor-
herrschte. Beide Richtungen berührten sich nur an ihren
äussersten Gränzen, es musste schwer und bald unmög-
lich werden, sich auf dieser zarten Linie zu halten. Nun
muss man es zwar anerkennen, dass diese Berührung
heidnischer und christlicher Elemente in künstlerischer
Beziehung keinesweges unbedingt schädlich war; viel-
mehr beruht die grosse Wirkung dieser frühen christlichen
Werke nicht bloss auf der Aeusserung der in der lfhat
noch sehr unvollkommenen christlichen Gesinnung, son-
der" eben auf der Verbindung dieses Geistes mit den
einfachen: grossartigcn Formen antiker Kunst. Aber damit
(lißsß Verbindung eine organische, dauernde werden konn-
te; 111113519" jene alten Formen aufs Neue erzeugt und