184-
Erste
Periode
der
byz.
Plastik
ll
Malerei.
heissungen, welche dem Ohre so süss lauteten, ein be-
denkliches Verfahren. Es konnte leicht die Gemüther
verweichlichen und die Kraft ersehlaffen, deren doch eine
Lehre, welche das Aufgeben des alten Menschen, die
völlige Wiedergeburt fordert, im höchsten Grade bedurf-
te; es entsprach dem Ernste der Kirche nicht.
S0 wie in religiöser, war es aber auch in künstleri-
scher Beziehung ein Fortschritt. Denn jene weichliche
Symbolik konnte Wohl vorübergehend auch künstlerisch
liebliche Erscheinungen hervorbringen, zuletzt musste sie
doch auch hier zu einem Verfall führen. Bei der Darstel-
lung des Gegenstandes als Andeutung eines Gedankens
musste die Form gleichgültig werden und bald in blosse,
rohe Andeutung" übergehen. Die Durchbildung des per-
sönlicheil Elements war daher ein entschiedener Vortheil,
sie führte auf festere Grundlagen zurück, sie gab dem
Formensinn einen Anhalt. Daher sehen wir denn auch
in der Entstehung der festen Typen der heiligen Gestal-
ten_cine entschiedene, kräftige Regung des bildnerischen
Sinnes. Vor Allem ist die Ausbildung des Christusideals
eine grosse 'l'hat dieser byzantinischen Kunst. Man kann
es dahin gestellt sein lassen, ob demselben eine wirkliche
Lleberlieferung der Züge des Heilandes zum Grunde ge-
legen habe; es ist nicht erwiesen, aber nicht unmöglich.
Man mag darüber vom religiösen Standpunkte aus strei-
ten, 0b es nicht der ganzen Oekonomie der Offenbarung
angemessen gewesen, auch hier dem menschlichen Geiste
freies Feld zu lassen, ihn nicht durch eine unbestreitbare
Ueberlieferung zu fesseln. Man darf jedem, dem es Be-
dürfniss ist, sich diese Züge als die wahren zu denken,
diesen Glauben lassen; aber gewiss war die Tradition,
durch welche sie auf uns kamen, keine urkundliche, keine