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Byzantinische
Plastik
und
Malerei.
Erste
Epoche.
Die Anerkennung des Christenthums als der herr-
schenden Religion des Reiches musste- auch auf die An-
sicht der Kirchenlehrer von den bildenden Künsten Ein-
fluss haben. Jener Hass gegen die Kunst an sich, wie
er hauptsächlich von Tertullian ausgesprochen war, hatte
doch eigentlich in den Evangelien keine Begründung. Ein
so einseitiger Spiritualismus, eine so ängstliche Furcht
vor der äussern Gestalt der Natur ist in ihnen wahrlich
nicht gepredigt; der christliche Geist geht zwar über
das Sinnliche hinaus, aber eben wegen dieser höheren
Richtung wird er auch von demselben nicht angefochten.
Wie keinerlei Speise, keine Berührung mit natürlichen
Dingen verunreinigt, so kann auch die unschuldige Dar-
stellung derselben nicht verfänglich sein. Wir sahen wie
diese mildere Ansicht schon unter den ersten Christen,
trotz des EiFers der strengem Kirchenvater, sich geltend
machte. Jetzt War noch viel weniger Grund zu einem
so allgemeinen über die Kunst auszusprechenden Ana-
thema; ein solches kommt daher auch nicht mehr vor.
Etwas Anderes war es mit den Bildnissen der heiligen
Gestalten, besonders des Erlösers selbst. Bei diesen
blieb denn doch die Gefahr einer allzueifrigen, abgötti-
sehen Verehrung des äussern Bildes immer bestehen;
hier erneuerte sich daher auch die Polemik der Kirche
gegen die Kunst von Zeit zu Zeit, unter verschiedenen
Formen.
Es war sehr natürlich, dass fromme Gemütlier sich
nach einem Bildnisse des Erlösers , in seiner wahren
irdischen Gestalt sehnten. Man pries die Jünger glücklich,
welche sein Antlitz gesehen, seine Worte vernommen