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Byzantinische
Architektur.
Andringen der nördlichen Völker gegen Italien schien
Rom nicht mehr der geeignete Sitz der Herrschaft; Theo-
dosius hatte in Mailand residirt, sein Sohn Honorius zog
die Stelle von Ravenna vor, das, damals unmittelbar am
Meere gelegen, durch seinen Hafen und als Flottenstation
Hülfe aus den andern Küstenländern und im schlimmsten
Falle die Flucht sicherte. Seine nächsien Nachfolger,
dann auch der Ostgothe Theoderich folgten seinem Bei-
spiel, und als endlich unter Justinians Regierung die
Kaiser des Orients aufs Neue in Italien festen Fuss fass-
ten, wurde auch der Sitz des kaiserlichen Statthalters,
des Exarchen, in diese dem Orient nahe und zugängliche
Stadt verlegt. Eine Reihe von grossentheils sehr wohl-
erhaltenen Gebäuden entspricht diesen verschiedenen
Epochen der städtischen Geschichte. Sie unterscheiden
sich von denen des gleichzeitigen Roms in mein als einer
Beziehung. Während in Rom die Benutzung antiker Ma-
terialien die Forrn bestimmte oder deren Vernachlässigung
herbeiführte, war hier eine Residenz zu begründen. Man
baute daher mit neubeschafftem Material, das bei der
hereinbrechenden Verwirrung des Abendlandes grossen-
theils aus dem Orient herbeigeholt und dort bearbeitet
wurde, um so mehr als die Herrscher oder Bauherrn von
Ravenna in nächster Beziehung zu Cdnstantinopel standen.
Nach dem Tode des Honorius erlangte seine Schwester,
die berühmte schicksalsreiche Wittwe des Westgotheil
Athaulf, Galla Placidia, die Herrschaft, Welche sie für
ihren unmündigen Sohn Valentinian in Anspruch nahm,
nur durch die Hülfe byzautinisclier Truppen (425), und
während ihrer fernem Regierung waren ihre Blicke stets
auf ihre Verwandten in Constantinopel gerichtet. Selbst
unter der Herrschaft des klugen Theoderich blieb ein