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Das
byzantinische
Reich.
flossen, heilsam und bildend für die germanische Welt.
Es ist wahr, dass auch diese Elemente von Byzanz her
in einem Zustande der Verderbniss zu uns kamen, und
es ist leicht, das Nachtheilige dieser Receptionen für
unsre Nationalität zu "zeigen. Allein bei einer tieferen
Betrachtung wird man entdecken, wie selbst diese vor-
übergehenden Nachtheile entweder unvermeidlich oder
gegen den damit verbundenen Gewinn nicht bedeutend
waren, und die Freunde eines freien Priucips in der po-
litischen Gestaltung unserer Staaten müssen es anerken-
nen, dass die römischen Begriffe von der Einheit des
Staats, die hauptsächlich durch byzantinische Vermitte-
lung bei uns praktisch geworden sind, einen wesentlichen
Bestandtheil ihres Systems ausmachen. '
Ich darf diese Andeutungen, weil sie mit meinem
Stoffe nur mittelbar zusammenhängen, nicht weiter ver-
folgen. Unzweifelhaft ist aber diese Stellung des byzan-
tinischen Reichs für die Kunst. Denn auch hier war es
nicht bloss die Bewahrerin altrömischer Formen, sondern
begann den Prozess ihrer Verschmelzung mit orientali-
schen Elementen und ihrer Verarbeitung für christliche
Bedürfnisse. Auch hier entwickelte sich zwar nicht eine
freie und unbedingt erfreuliche 'l'hätigkeit, vielmehr finden
wir auch hier den Charakter des Müden und Abgestor-
benen vorherrschend. Aber dennoch bildeten sich, wenn
auch unwillkürlich, durch die Berührung und Vermischung
altrömischer, christlicher und orientalischer Elemente,
eigenthümliche Formen aus. Hier wenigstens zeigt sich
unverkennbar die grosse und geheimnissvolle Bedeutung
dieses Volkes in der Geschichte. Wir Werden sehen,
wie diese byzantinischen Formen nicht bloss auf das
germanische Abendland, sondern weithin über die Länder