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Das
byzantinische
Reich.
Theil der geistigen Eigenthümlichkeit der Ueberwxmdenen
auf die fremden Sieger überging.
Das Schauspiel kraftlosen Bestehens und langsamen
Absterbens in einem Reiche, das schon in seinem Beginne
dem Verfall gewidmet schien, ist ermüdend, die Scenen
grausamer Despotie und unwürdiger Knechtschaft empö-
ren unser Gefühl, aber dennoch ist diese Geschichte eine
überaus lehrreiche und die Aufgabe, welche diesem Volke
in der Entwickelung der Menschheit zu Theil wurde, eine
höchst wichtige. Lehrreich ist diese Geschichte, weil
wir hier die Ueberzeugung gewinnen, dass niemals aus
blosser Verbindung, wenn auch der edelsten Stoffe, ein
organisches Ganze entsteht, dass jedem Körper eine
einige, selbstkräftige Seele einwohnen muss. Die Wich-
tigkeit der Aufgabe aber erkennen wir, wenn wir vor-
wärts und rückwärts auf die Völker blicken, welche in
Byzanz ihre Vermittlerin hatten.
Schon dadurch war dieses langausdauernde Reich
heilsam, dass sich hier die Schätze altgriechischer und
römischer Wissenschaft und Kunst erhielten. Die Civili-
sation, die Gelehrsamkeit, die Technik, der Erwerb langer
Jahrhunderte wurde hier bewahrt, Während die Stürme
der Völkerwanderung und der ungebändigte Sinn der ger-
manischen Stämme im Westen, und bald darauf die Ver-
heerungen der Araber in Asien alles Bestehende umstürz-
ten. Grade durch den Mangel eigner, frischer Bewegung
war dieses Reich der Mitte für eine solche Bewahrung
geeignet. Es bildete eine Schatzkammer, aus welcher
Germanen und Araber", nachdem sie so weit gereift wa-
ren, sich jenen frühern Erwerb aneignen konnten. In-
dessen ist die Bedeutung des byzantinischen Reichs durch
diese passive Aufbewahrung noch nicht ganz erschöpft;