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Das
byzantinische
Reich.
auf dem Throne, und es bietet sich ein fruchtbarer Stoff
für psychologische und politische Betrachtungen dar. Bei
dem allgemeinem Gesichtspunkte dieses Werkes darf
ich aber auf diese Einzelheiten nicht eingehen, und es
sind nur wenige Punkte der Geschichte, welche einiger-
massen hervor-springen.
Vor allem wichtig ist uns die Regierung J ustinians
im sechsten Jahrhundert weil sie das Verdienst hatte,
den Zustand der Dinge zu ordnen, die Mischung christ-
licher und heidnischer Elemente, welche sich bis dahin
chaotisch durcheinander bewegten, festzustellen. Manches
kam zusammen, um der Regierung dieses Fürsten einen
ungewöhnlichen Glanz zu verleihen. Kräftige Feldherrn
unterwarfen seinem Scepter bedeutende, schon von Bar-
baren besetzte Provinzen aufs Neue; der friedliche Zu-
stand des Reichs, die Vortheile der Civilisation, deren
sich diese Gegenden jetzt ausschliesslich erfreuten, be-
reicherten das Volk, neu entdeckte Handelswege vermehr-
ten die Quellen des Erwerbes. Des Kaisers eigne Thätig-
keit, seine Sorgfalt für Aufzeichnung und Sammlung der
Weitschichtigeil Gesetze, seine Bauunternehmungen und
der Glanz seines Hofes trugen dazu bei, das Gefühl der
Sicherheit, welches die Bewohner eines mächtigen Reiches
haben, zu verbreiten.
Bald nach seiner Zeit hatte das Reich mit neuen und
kräftigen Feinden zu kämpfen; die Araber in hellauf-
flammender Begeisterung für den Islam ergossen sich
über die reichsten Provinzen und entzogen sie für immer
der byzantinischen fHerrschaft. Auch der Besitz von
Italien wurde den Griechen entrissen, und slavische Völ-
ker drangen bis an die 'l'hore der Residenz, während
der heftige Streit über die Duldung oder Verbannung der