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Das
byzantinische
Reich.
dem Orient hinneigen. In jeder Beziehung orientalisiren
sich daher diese griechischen Römer mehr und mehr,
dies ist die Bewegung, welche wir in dem scheinbar un-
veränderlichen Zustande des Reiches wahrnehmen können.
Die Vergötterung der Cäsarn in Rom war eine wi-
derliche Schmeichelei, aber ohne tief eingreifende Wir-
kung, so lange die Vielgötterei noch ihre Tempel bereit-
willig öffnete, und so lange, wenigstens zum Scheine,
die Formen der Republik theilweise beibehalten wurden.
Auch war sie nur eine Ehrenbezeugung für den verstor-
benen Augustus, erst die Entlohnung der Formen orien-
talischer Despotie übertrug den Götzendienst auf die
Person des Lebenden. Schon Diocletian hatte sich mit
dem Prunke eines persischen Königs umgeben. Der Un-
tertlian, welcher durch den Anblick der Majestät beglückt
wurde, musste sich in ganzer Länge zu Boden stürzen
und die Füsse des Herrschers küssen. Diese knechtische
Sitte wurde im byzantinischen Reiche mehr und mehr
ausgebildet, durch ein pedantisches Ceremoniell gesteigert
und Iixirt Ü; sie wurde der Stolz des byzantinischen
Staates, der Gegenstand der Unterhandlung und der List
bei fremden Gesandten, noch bei dem Durchzuge der
abendländischen Kreuzfahrer mit äusserster Wichtigkeit
behandelt. Nur am Sonntage, am Tage des Herrn, un-
terblieb diese Ceremonie; so sehr war man sich bewusst,
dass sie eine Usurpation göttlicher Ehre enthielt. Auch
sonst wurden aber die Herrscher als Gegenstände abgöt.
tischer Ehrfurcht betrachtet; ihr Hofstaat, ihre Regierung,
ihre Spenden und selbst ihre Kleidung "und Lagerstätte
ü) Ein gelehrter und Heissiger Kaiser Constantin Poi-phy-rogen-
nclos (geb.905) hat es nicht verschlnällel, in einem dickleibigen Buche
das (Jerelnonliell des Hofes grüudlichst auseinauderzusetzen.