l O-L
Das
byzantinische
Reich.
blutigsten Kämpfen ausbrach. In Constantinopel selbst
entstand bei dem Einschreiten der Obrigkeit gegen die
Gewaltthateil dieser Parteien ein Aufruhr, in welchem
ein Theil der Stadt ein Raub der Flammen wurde.
Allein diese Sittcnverderbniss darf man nicht grade
als das alleinige oder hauptsächliche Hinderniss, welches
einer bessern Wirksamkeit des Christenthums entgegen-
stand, betrachten. Vielmehr würde sich die neue Lehre
mit der reinem Sitte griechischer und römischer Vorzeit
noch weniger vereinigt haben. Man hätte sie überall
nicht verstanden; jenen bessern Heiden wäre sie recht
eigentlich, wie die Schrift sagt, eine 'l'horheit gewesen.
Nur durch das Verderben der altheidnisehen Sitte war
ein Eindringen des Christenthums möglich. Vielmehr
stand das Erhaltene dieser alten Civilisation der freien
Wirksamkeit des Christenthums entgegen. Die edelste
Aufgabe der Religion, die Durchbildung und Gestaltung
der Sitte war ihr entzogen; denn hier war alles fertig,
wohlbegriindet und zusammenhängend. Dagegen fand die
Kirche eine altkluge, in dialektischen Streitigkeiten er-
graute Philosophie vor, und konnte sich nicht entbrechcn,
indem sie den Einwendungen und Angriffen derselben
entgegentrat, zu spitzfindigen Unterscheidungen und phan-
tastischen Grübeleien überzugehen. Hierauf beruht der
wesentliche Unterschied der Kirche des Orients von der
des Abendlandes, welcher sich in ihrer Geschichte und
namentlich in den Ketzerstreitigkeiten deutlichst zeigt.
Die römische Kirche, im Confliet mit rohen germanischen
Völkern, welche der Erziehung-bedurften, hat es fast
immer mit sittlichen und praktischen Bestimmungen zu
thun, während die griechische sich ausschliesslich mit
mehr oder weniger dunkeln (logmatischen 'l'heorien be-