Richtung
der
altchristliclnexx
Kunst.
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spätcrn Jahrhunderten religiöser Sehnsucht und mystischer
Deutungen wieder flüchtig und allgemein, und die Natur
galt, in ähnlicher Weise wie in dieser christlichen Sym-
bolik, nur als ein Scheinbild, hinter welchem Anderes
gesucht wird. Nur war es bei diesen Heiden in noch
viel höherm Grade flüchtig. Denn bei den Christen, na-
mentlich wenn sie bdie historischen Gegenstände ihrer
heiligen Geschichte darstellten, mischte sich ein Geist
der Ehrfurcht und Liebe ein, der unwillkürlich ihren Ge-
bilden mehr Wärme und Leben gab.
Auf dieser Aehnliehkeit der Stimmung beruhte es
denn, dass jene christlichen Bildner die Formen der
römischen Kunst nicht bloss aus Gedankenlosigkeit bei-
behielten, sondern auch mit Neigung und VVohlgefallen
anwendeten. Beruhigt und friedlich gefielen sie sich in
diesem nicht bloss frommen, sondern auch heitern Spiele
mit den natürlichen Gebilden, und es ist ein schönes
Zeugniss ihres festen Sinnes, dass auch die Nähe der
Gräber diese Heiterkeit nicht trübte.
Auf der Verschiedenheit der christlichen Weltansicht
von der heidnischen beruhen dagegen die Vorzüge der
christlichen Werke vor den gleichzeitigen heidnischen.
Unter diesen ist vor Allem wichtig, dass die architek-
tonische Grundlage der Kunst eine neue wird. Wir sahen
schon, wie in der Baukunst die perspectivische Gestalt
der Basilika sich deutlicher zeigt; ebenso ist es in der
Plastik. Jene l-Ialbheit des römischen Reliefs, welche die
einfache Strenge des Profilstyls nicht mehr festhalten
kann, aber auch noch kein anderes Prineip der Anordnung
findet, ist auf den christlichen Sarkophagen verschwunden.
WVir sehen hier die Flächen nach symmetrischen Rück-
sichten eingetheilt. die Mitte als solche, die Seitenfelder