Stylgesetze.
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gelernt hatte, meinte man (bestärkt in diesem YVahne
durch die Art, wie Vitruv seine Lehren vortrug) nun
auch einen festen Kanon, feste Zahlenverhältnisse und
Maasse, durch welche es den Baumeistem leicht wurde,
so zu verlhhren, entdecken zu müssen. Mit Erstaunen
fand man grade das Gegentheil; überall abweichende,
mannigfach modilicirte Pi-oportionen , ineommensurable
Zahlen , nicht bei zwei verschiedenen Gebäuden völlig
dasselbe. Das Geheimniss wurde durch diese Erfahrung
noch verborgener, und wird es freilich für die N aeliah-
mung stets bleiben. Indessen verstehen wir, worin es
seinen Grund hat. Indem man eben überall nur die aus
der Sache selbst hervorgehenden Bedingungen erfasste,
die Grundformen ilicht zu notlnvendigen stempelte, son-
dern als solche empfand, konnte man sich ohne Bedenken
der grössteil künstlerischen Freiheit überlassen und die
Einzelheiten ganz nach den Umständen und dem Gefühle
vollenden. So verbindet sich mit der Wahrheit und Rein-
heit auch die Freiheit. Je mehr der Geist die Dinge
selbst ergründet, sich ihnen hingiebt ohne sie durch seine
WVillkür zu entstellen, desto freier eröffnen sie sich ihm
und desto freier kann er auch mit ihnen schalten, wo es
sein gutes, angeborenes Recht ist.
Durch diese Reinheit und Wahrheit kann man denn
in der That die griechische Architektur als ein Vorbild
und Muster für alle Zeiten ansehen. Allein nicht minder
ist auch ein entschieden nationales, ausschliesslich grie-
chisches Element anzuerkennen, Welches der Nachahmung
in andern Zeiten und unter andern Völkern entgegenstelxt.
Ich rechne (lahin zuerst die Kleinheit der Gebäude.
Der Parthcnoxl, der bedeutendste 'l'cmpel
sischen Blüthezeit, hatte nur eine Höhe
der
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