Das
korinthische
Kapitäl.
41
inlfolgendem Hergange. Aut das Grab einer Jungfrau
von Korinth habe die Amme derselben allerlei Geräth,
das dem Madchen werth gewesen, in einem Korbe hinÄ
gestellt. Zufällig wäre aber auf der Stelle eine Wurzel
der Acanthus im Boden gewesen, aus der nun im Früh--
jahr die Blätter hervorwuchsen und, da sie nicht frei
aufschiessen konnten, sich an die Aussenwände des
Körbchens anschlossen und es umrankten, welche an-
muthige Erscheinung dann ein Bildhauer, Kallimachos,
bemerkt und zu der Erfindung dieses Kapitals benutzt habe.
Die Anekdote selbst ist anmuthig zu nennen, weil sie die
Entstehung der jungfräulich zarten Säule an das Schicksal
einer Jungfrau knüpft, allein ihre Wahrheit wird selbst durch
den Namen des" Erfinders (der in der griechischen Kunst-
geschichte mehrfach vorkommt) nicht hinlänglich verbürgt.
Nachdem wir so in den Kapitälen die bedeutendste
Abweichung der drei Ordnungen kennen gelernt haben,
bedarf es eines Rückblicks auf die Verschiedene Gestal-
tung der übrigen Theile der Säule in jeder Ordnung. Der
Säulenstamm ist im dorischen Style kürzer und gedrun-
gener, als in den beiden andern; während er bei diesen
gewöhnlich etwa acht, in einzelnen Fällenhsogar bis zehn
Mal so hoch ist als der Durchmesser seines untern Krei-
ses, erreicht er im dorischen Style an den schönsten
Monumenten nur die Höhe von sechs, an andern, beson-
ders ältern Gebäuden sogar nur die von vier oder fünf
solchen Durehmessern. Zugleich ist dann die Verjüngung
der dorischen Säule sehr viel stärker, so dass sie dem
Stamme fast eine kegelförmige Gestalt giebt, während
sie in den andern Ordnungen nur dem geübten Auge be-
merkbar wird. I-Iierzu kommt denn noch die wesentliche
Verschiedenheit, dass die (lorische Säule niemals eine