Ihre
lange
Dauer.
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Es war eine Thcilung der Arbeiten eingetreten, wel-
che den Römern alles Weltliche und Praktische, den
Griechen das Theoretische, die WVissenschaft und die
Kunst zuwies, und diesen gestattete ihre ganze Kraft
hierauf zu verwenden. Hiedurch war denn die Kunst in
eine Lage gebracht, Welche grosse Veränderungen nicht
znliess oder doch nicht beförderte. Jener rasche Wech-
sel des Styls auf der höchsten Stufe griechischer Kunst
war eine Wirkung und eine begleitende Erscheinung der
durchgreifenden Umgestaltungen gewesen , welche das
sittliche und politische Wesen erfuhr. Die Kunst war
damals nicht eine vereinzelte Thätigkeit, sie war eine
sittliche Macht, der Mittelpunkt aller Bestrebungen; sie
wurde daher von der innern Triebkraft des Geistes fort-
gerissen und alle Gestalten, welche derselbe annahm,
spiegelten sich in ihr ab. Dies Band war jetzt gelöst;
die Kunst stand selbstständig und allein, das politische
Leben bewegte sich in einem andern Kreise; sie war
daher solchem Wechsel nicht unterworfen.
Schon am Schlusse der griechischen Geschichte be-
trachteten wir die ungleiche Dauer der Epochen; zuerst
das lange Beharren der frühesten Kunst, dann die rasche
Folge verschiedener Formen des schönen Styls, wo im-
mer eine die andere verdrängte, endlich wieder die an-
haltende Periode des alexandrinischen Zeitalters. Jetzt
gestaltet sich dies noch viel auffallender; die lange Linie
des letzten Abschnittes verlängert sich noch viel mehr,
sie geht bis auf die Zeit nach Iladrian, vier bis fünf
Jahrhunderte hindurch. Diese letzte griechische Kunst
scheint unvergänglich zu sein, denn selbst da weicht sie
nicht einer neuen Kunstweise, sondern wird nur durch
Sorglosigkeit und Mangel an Theilnahme träger und
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