Griechische
Architektur.
gekrümmten Seite, über den zusammentrelfenden Schnör-
keln ist eine Blume angelegt. Uebrigens waren Blätter,
Knospen und Stengel nicht von einem Baume, sondern
von einem Kraut, Acanthus oder Bärenklau, genom-
men, dessen volle breite Formen sich am Besten dazu
eigneten. S0 wenigstens bei der gewöhnlichen. und re-
gelmässigen Form dieses Kapitals, das bei seiner grössern
liiamiigfaltigkeit auch freier und mit grössern Verände-
rungen als die andern angewendet? wurde.
Vergleicht man hiernach das korinthische Kapital
mit den beiden andern Säulenordnungen, so zeigt sich,
dass es mit ihnen die Tendenz gemein hat, die Rundung
des Stammes in das Viereck hiniiberzuleiten, dass aber
diese Aufgabe im dorischen Styl. rein und unmittelbar
aus der Natur des Steines gelöst ist, während in den
beiden andern die Phantasie noch andere verwandte Vor-
stellungen herbßiführt, im ionischen die der Elasticität,
im korinthischen die des vegetabilischeil Lebens. Auch
hier verliert sich die Architektur zwar nicht in eine bild-
liche Nachahmung der Natur, aber sie verbirgt gleichsam
ihre eigentlichen mechanischen Zwecke, indem. sie die
Kelchform des Kapitäls mit Blättern bekleidet und selbst
das Viereck der Platte nicht gradlimg scharf zeichnet,
sondern nur durch die vertretenden Ecken andeutet. Man
sieht daher in den drei Säulenordnungen ein inneres Ge-
setz der Fortbildung der architektonischen _F0rmen, wenn
man auch zugeben kann, dass das Einzelne nicht mit
völlig zivingender N othwendigkeit daraus hervorging,
sondern sich vielleicht auch anders gestaltet haben könnte.
An eine zufällige Erfindung des korinthischeil Kapi-
tals ist wohl ebensowenig wie an die des ionischen zu
glauben. Dennoch erzählt Vitruv eine solche, und zwar