Ihre
Welthistorische
Bedeutung.
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ausgesprochen. Auf dem ganzen Gebiete des höhern
geistigen Lebens geben also die Römer ihre Eigenthiim-
lichkeit auf, um der der Griechen z11 huldigen.
VVir erwähnten schon früher, dass dies Verhältniss
zweier Völker hier zum ersten Male in der Weltgeschichte
erscheint. Bisher war stets die Kunst durch einen Na-
turinstinct aus dem Boden des Volksgeistes hervorge-
wachsen, jedes Volk verstand die Kunst des andern
ebensowenig wie seine Sprache. Der Grieche, der den
ägyptischen Tempel betrat, staunte ihn mit Missbehagen
als 'l'horenwerk an. Juden und Perser bedienten sich
fremder Baumeister, aber nur für einzelne Werke der
Ziveckmässigkeit oder Pracht; an die begeisterte, ver-
ehrende-Nachahmung einer. ganzen Kunst oder gar aller
Künste eines andern Volks war dabei nicht zu denken.
Freilich waren Griechen und Römer verwandten Stame
mes, durch Natur und Sprache nicht so weit geschieden,
wie jene, aber immerhin war doch auch bei ihnen eine
bedeutende natürliche und sprachliche Verschiedenheit.
vorhanden, die überwunden werden musste.
In Beziehung auf die Kunst hatte dies höchst wich-
tige Folgen; sie wurde erst dadurch völlig frei und
selbstständig. Bei den frühern Völkern erschien sie wie
ein unbewusst entstandenes Erzeugniss des Bodens, wir
mussten sie aus der Natur des Landes erklären. Den
Römern galt sie gleich anfangs als eine geistige Ueber-
lieferung, welche sie aufnahmen und auf alle Länder
übertrugen. Durch die Macht ihrer Waffen brachen sie
die Schranken der Völker auch in dieser Beziehung; im
Nilthale wie auf den Bergen Palästintfs, am Rhein, wie
auf der iberischen Halbinsel, überall wurde die Kunst
auf gleiche Weise geübt. Es lässt sich nicht verkennen,