Antinous.
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Jüngling aus Bithynien, der in die Nähe und Gunst dieses
Kaisers gekommen war und ihn auf der Reise in Aegypten
begleitete, ertrank hier auf eine räthselhafte Weise im
Nil. Man sagte, dass er sich für seinen Herrn geopfert,
um eine unheildrohende Weissagung durch seine Stell-
vertretung abzuwenden. Die Dankbarkeit für diese Hin-
gebung oder der Schmerz über den Verlust des Lieblings
veranlasste den Kaiser, sein Andenken mit leidenschaft-
licher Verehrumg zu feiern. In Aegypten selbst baute
er ihm zu Ehren eine Stadt, Antinoe, mit Beziehung auf
seine Heimath im griechischen Styl; an vielen Orten liess er
ihm Tempel errichten, und die Künstler mussten ihm die
Züge des Lieblings, mehr oder weniger idealisirt, oft
gmit den Attributen des einen oder andern Gottes, in
unzähligen Darstellungen Wiederholen. Eine grosse Zahl
dieser Statuen oder Büsten ist uns erhalten und mehrere
derselben nehmen einen hohen Rang unter den Meister-
werken des Alterthums ein i). Die Bilder des Antinous
sind leicht kenntlich an der niedrigen, zum Theil von
Locken verdeckten stark vertretenden Stirn, den tieflie-
genden Augen und gesenkten Brauen, dem eigenthümlich
vollen Kinn und Munde. Sie geben sehr entschieden den
Ausdruck eines jugendlichen Wesens, das mit allem aus-
gestattet, was zum Genusse des Lebens auffordert und
berechtigt, in der Fülle seiner Kraft und Schönheit von
einer sanften Schwermuth tief ergriffen ist Sie erinnern
ü) Der berühmte Maler Poussin erklärte einige dieser Statuen
gradezu für Muster der Schönheit, ein Urtheil, welchem man freilich
jetzt nur in sehr bedingtem Sinne beistimmeil würde.
w) Einige glauben die Neigung des Ilauptes, welche sich an
mehrern Bildsäillen des Anünons, namentlich an der im Capitol lindet,
auf eine bestimmte Situation beziehen zu müssen, indem sie sich
denken, dass der Künstler den Jüngling in dem Augenblicke Seiner