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Römische
Sculptur.
treue Nachahmung der Natur wirkt nachtheilig. XVenn
man Züge auffasst, die in der steinernen Form ihr Leben
und ihre tiefere Bedeutung verlieren, entsteht nothwendig
etwas Starres und Rohes. Im Allgemeinen vermissen wir
in diesen römischen Werken die Feinheit des griechischen
Formensinns. Das Haar giebt nicht mehr den schönen
WVechsel von breiten Massen und mässigen Schatten, es
ist entweder dünn und oberflächlich angedeutet, oder zu
detaillirt und gekünstelt, nach dem Gebrauch dieser spä-
tern Zeit mit dem Bohrer ausgearbeitet. Auch in der Art.
der Gewandung erkennen wir oft den Römer; die For-
men des Körpers treten unter dem Stoffe nicht mehr so
deutlich hervor, oder sie zeichnen sich mit absichtlicher
Nachahmung des griechischen Styls in glatten Flächen
ab; die Falten sind tief, hart und scharf, oft schon unver-
standen und conventionell. Selbst die Körperverhältnisse
erscheinen, ohne Zweifel durch ein genaues Ansehliessen
an die Natur, schwerfällig; die Beine sind plump und
ohne die feine, mässig detaillirte Gliederung, man bemerkt
eine allzugrosse Länge des Oberleibes, welche noch heute
in Italien häufig ist. Die Muskeln sind an männlichen
Statuen oft mit einer rohen Uebertreibung, wie zur Dar-
stellung einer gladiatorischen Kraft herausgearbeitet; die
Züge nicht selten starr und gelangweilt. Bei alledem
sind diese Bildnisse durch den Ausdruck derber, gesun-
der Kraft und durch eine gewisse bürgerliche Naivetät
in der Regel noch erfreulich, und bei manchen bewährt
sich auch der ererbte Formensinn der Kunst noch in
edelster
Weise.
Ueberaus gross muss die Zahl dieser Bildnisse, so-
wohl in ganzer Figut wie in Büsten gewesen sein. Be-
sonders die Statuen der Kaiser, ihrer Familienglieder und