Bildnisse.
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andre
Kunstwerke
den
unkünstlerischen
Porträts
VOP.
Dies ist es, wogegen der patriotische Zorn des Plinius
gerichtet ist. Ohne Zweifel war dennoch die alte Nei-
gung nicht so sehr verschwunden, wie er meint , denn
wir finden in der grossen Zahl römischer Bildnisse in
Statuen und Reliefs von bekannten oder unbekannten
Personen die Richtung auf eine mehr detaillirte Naturtreue
in allen Beziehungen wieder, im guten und im bösen
Sinne. Ein hohes Interesse geben viele dieser Porträts
durch den individuellen Charakter und durch die bedeut-
samen Züge wichtiger Männer. Unsere Anschauung von
der psychologisch so interessanten Geschichte der ersten
Jahrhunderte des Kaiserreichs gewinnt durch diese bild-
liche Ueberlieferung ein erhöhtes Leben. Mit. Recht sind
daher die Archäologen bemüht gewesen, diese ikonische
Geschichte möglichst festzustellen und ihre Vollständig-
keit zu sichern. Und auch in künstlerischer Beziehung
finden wir darin den Beginn einer neuen Richtung.
manchen dieser ernsten Gestalten von Rednern und
In
Se-
natoren , in den- feinen oder treuherzigenl Zügen des
Gesichts, in der männlichen Haltung der geharnischten
Fürsten, in der lllatronemvürde oder in der Anmuth der
edlen Frauen ist ein künstlerisches Durchdringen des
Persönlichen erkennbar, das der rönlischen Kunst von
ihren griechischen Lehrern nicht überliefert war. Der
Sinn für die Subjectivität, für das Wirkliche Leben mit
seinen Schwächen und Sorgen, aber auch mit seiner
Kraft und Wärme, ist erwacht. Indessen auch hier ver-
standen es die römischen Künstler nicht, diese neue
Richtung durchzuführen, und die Mehrzahl ihrer Porträt-
statuen befriediget uns keinesweges. Das poetische
Element scheint ganz aus ihnen gewichen und selbst die