Bildnisse.
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ihre Kunst mit solchen freigebig wurde , die Natur zu
idealisiren Ganz anders in Italien oder doch in
Rom; hier wurden schon sehr frühe neben den Götter-
bildern Statuen berühmter Feldherrn und Bürger errichtet,
und das Porträt spielte auch im Familienleben eine be-
deutende Rolle. Alle Nachrichten deuten darauf hin,
namentlich jenes alte patricische "Recht der Bildnisse."
In den Häusern des Adels bewahrte man im Vorhofe die
Bildnisse der Vorfahren, in Wachs gearbeitet, in eignen
Schränken. Bei Begräbnissen der Familienmitglieder be-
gleiteten daun diese Bilder die Leiche, damit, wie Plinius
sich ausdrückt, das ganze Volk der Familie, wie es einst
war, sich bei dem Verstorbenen zeige. Dieser wurde
(dies scheint der Gedanke zu sein) in ihre Schaar durch
sein Bildniss gleichsam aufgenommen. Wir dürfen nicht
zweifeln, dass diese Wachsmasken, denn das waren sie,
von Einheimischen gemacht Wurdeuw), und dass man
nicht Kunstwerth, wohl aber Aehnlichkeit forderte. Diese
alte römische Ansicht spricht Plinius ausdrücklich aus;
die Kunst der Bildnisse sei erfunden, die Gestalten so
ähnlich wie möglich auf die Nachwelt zu bringen. Des-
halb tadelt er die Prunksucht, welche statt jener einfachen
4') Sov ist, um ein der rölnischen Zeit naheliegenndes Beispiul 2m-
zuführen, noch die Porlrätbiiste des Demetrius Poliorketes (im Mu-
seum zu Paris) deutlich idealisirt, mit einer Grossheit der Form,
welche an die Niobe erinnert. Waagen a. a. O. Th. III. S. 128.
H) Plin. 35, 2. Aliter apud majores in atriis haec erant quae
spectarentnr, non signa externornm artiticum, nec aera aut
marmora, expressi cera vultus- singulis disponebantur armariis. Diese
Wachsbilder waren übrigens blosse Masken, welche bei den Begräb-
nissen von Menschen, die in Grösse und Figur den darzustellenden
Personen glichen und mit der diesen zukommenden 'l'racht bekleidet
waren, getragen wurden, so dass die Ahnen gleichsam lebendig den
Verstorbenen begleiteten. Die entscheidende, ausführliche Stelle
(larilber bei Polyb. VI. 53. S. Becker, a. a. O. T11. II. S. 286.