Zeitalter
Augusts.
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nicht, es setzt ein WVerden voraus, ein Streben nach
einem noch nicht erreichten Ziele. Daher zeigte sich
schon am Pantheon selbst, dass diese mathematische
Regel künstlerisch nicht durchzuführen sei. Die Mauer
musste hoch hinaufgeführt werden, so dass im Aeussern
die Kugelgestalt nicht mehr zum Vorschein kommt; ein
Portikus wurde nöthig, der mit seiner graden Linie an
die Kreislinie des Rundbaues höchst willkürlich und regel-
los anstösst. Hier, wie überall wo man eine schroffe,
todte Regel ins Leben einführen will, musste man der
Wirklichkeit ein Opfer bringen, gegen die anerkannte
und heiliggehaltene Regel sündigen. Dies war beständig
das Schicksal der römischen Architekten. Der Grundge-
danke des Einfachen, höchst Regelmässigen, des Grossen,
lllassenhaften, Erhabenen schwebte ihnen vor; dabei aber
hatten sie auch das Streben nach griechischer Anmuth,
nach reichem Schmucke, heiterer Lebensfülle. Diese aber
ergab sich nicht aus jenem, daher blieb denn nichts übrig,
als den Schmuck wie eine fremde Zuthat, Wie ein Ge-
borgtes daran zu heften. Dies ist der tiefeingreifende,
nicht genug zu beachtende Unterschied der griechischen
und der römischen Architektur, dass dort alles einig, aus
freiem Gefühle hervorgegangen War, Während hier immer
ein innerer Widerspruch, ein unverbundenes Streben nach
Grossheit und Zierliehkeit wahrnehmbar ist. Dieser Un-
terschied findet sich aber nicht bloss in der Architektur,
sondern in allen geistigen Aeusseruxigen beider Völker.
Wir berühren hier eines der innersten Mysterien alles
künstlerischen und ethischen Handelns. Dem unbefangenen,
fromm sich hingebenden Sinne erblüht auf seinem Streben
nach dem ernsten und hohen Ziele auch das Heitere und
Anmuthige ;
geniesst
ES
ohne
davon
Zll
leiden.
VVer