Das
ionische
Kapitäl.
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nischer Formen nach symbolischen Zwecken, noch eine
Nachahmung thierischer Theile an wesentlichen Bauglie-
dem entspricht dem griechischen Kunstgefühle, und es
ist überhaupt_unwahrscheinlich, dass ein einzelner Mo-
ment der Erfindung dagewesen sei. Ebenso wie Wörter
und Mythen der Völker, entstehen bauliche Formen nicht
mit einem Male und in einem Individuum, und so ist
auch wahrscheinlich hier manches Vermittelude dazu
gekommen, bis allmälig diese Form festgestellt wurde.
Bei einer solchen Mitwirkung mehrerer Generationen ist
es aber natürlich, dass die spätere Ausbildung weit über
die ursprüngliche Absicht hinausgeht. In der Sprache
können wir es oft mit Evidenz nachweisen, dass eine
Aehnlichkeit des Klanges oder des Bildes die Phantasie
anregt, ein Wort in einer von seiner Wurzel ganz ab-
weichenden Richtung, der Schreibart nach sowohl als der
Bedeutung, zu gebrauchen, und ebenso finden wir auch
den Mythus oft mit Zusätzen ausgemalt, welche dem
ursprünglichen Sinne desselben fremd waren. Ganz ähn-
lich mag es nun bei der Entstehung des ionischen Ka-
pitäls zugegangen sein. Die Versuche der alten Meister,
manche Schwierigkeiten oder Härten einer ältern Bauweise
zu mildern, mögen auf neue, aber völlig architektonische
Formen geführt haben, welche, hie und da im Einzelnen an
natürliche Erscheinungen erinnernd, allmälig nach diesen
benannt und ihnen ähnlicher gemacht wurden , bis dann
zuletzt diese bildlich ausgeschmückte und zugleich archi-
tektonische Gestalt durch den fortgesetzten Gebrauch
zur festen gesetzlichen Norm erhoben wurde. S0 erklärt
es sich ohne Schwierigkeit, wie aus einer altern Grund-
form die spätere Gestalt des ionischen Kapitals entstan-
den sein mag. Eine der wesentlichsten Bestimmungen
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