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Römische
Architektur.
gleichheit ihrer Seiten, in der Verschiedenheit ihrer Theile
immer etwas Unvollkommenes, in sich Uneiniges darstellt,
ist jene auf allen Seiten gleichartig, von gleichem Leben
durchdrungen, wie ein organisches Gebilde der Natur.
Sie spricht die Verschiedenheit der Functioilen in den
verschiedenen Längen der vordern und der seitwärts ge-
legenen Säulenreihen aus, ohne ihnen die Gleichartigkeit
zu entziehen. Dagegen hat diese römische Form eine
gewisse Consequenz und etwas Verständiges voraus.
Die überall gleichen Säulenhallen sind dem Unterschiede
zwischen Giebel und Dachschräge nicht ganz angemessen.
Man kann auch hier wie in so manchen andern griechi-
schen Erscheinungen eine anmuthige, lebensvolle Verhül-
lung der dunkeln Seiten der WVelt erkennen; dort mehr
eine ideale, hier eine reale Gestalt.
Diese einfachste Gestalt der römischen Tempel ist
auch die schönste. Ausser ihr kommen nicht bloss in den
griechischen Provinzen des Reichs, sondern auch in Italien
noch manche andere Formen vor, theils in ersichtlicher
Nachahmung des Griechischen, theils in einer abweichen-
den Richtung. Seit den macedonischen Kriegen wurden
auch grössere Tempel mit herumlaufenden Säulenhallen
gebaut, obgleich auch hier manche Veränderungen gegen
die griechische Regel des Peripteros eintraten i). Noch
häuiiger war denn aber die Form des Pseudoperipteros;
das heisst, man behielt die älteste Form der Cella mit
blossem Portikus auf der Vorderseite bei, brachte aber
an den drei andern Mauern der Cella scheinbare Säulen,
4') Wie bei dem von Marius erbauten Tempel des Honos und
der Virtus, von dem Vitruv beunerkt, dass er keine Halle auf der
Rückseite gehabt. (sine postico) Vilr. III. 2. Wenn aber auch den
Peripleros, so nahm man doch den Hypaithros in Rom hißlllills auf.
wie Vitruv lll. 2. 8. ausdrücklich bexuerkt.