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Römcn
wurden daher für die folgenden Jahrhunderte das frucht-
barste Vorbild voller Menschlichkeit.
Eine ganz selbstständige römische Kunst, die eine
eigne Geschichte hätte, giebt es hienaeh nicht, sondern
nur eine Kunst bei den Römern, die im Wesentlichen
eine fremde war, und der sich nur unwillkürlich einheimi-
sche Elemente beimisehten. Wie ich schon erwähnte,
sprachen die Schriftsteller der Römer selbst ihre Kunst-
geschichte mit den kurzen Worten aus, dass anfangs
alles tuskanisch, dann griechisch war. Von dem Zustande
der etruskischen Kunst in Rom haben wir nicht Weiter
zu sprechen; sie erlitt hier bei der nahen geistigen Ver-
wandtschaft beider Stämme ohne Zweifel keine Aende-
rung. Auch haben wir uns wohl alles Künstlerische in
Rom damals nicht bloss tuskanisch, sondern ziemlich roh
zu denken. Erst als die Römer in der Zeit der Scipionen
für griechische Bildung überhaupt Sinn erhielten, als
durch die griechische und macedonische Beute ihr Auge
auch auf bildlichen Schmuck gerichtet wurde, erwachte
bei ihnen das Bcdürfniss nach einer schönen Kunst und
daher natürlich nach griechischer. Sie riefen griechische
Meister aller Art herbei, und die italisehe Kunst, wo sie
noch bestand, schloss sich anspruchslos, so viel sie es
vermochte, an den griechischen Styl an.
WVir haben (lüllef in diesem Abschnitte die Kunst
unter den Römern erst von da an zu betrachten, wo sie
im Wesentlichen eine Fortsetzung der griechischen war,
und die Aenderungen, welche diese griechische Kunst
durch italischcn Geist erlitt, werden uns dabei hauptsäch-
lich beschäftigen. Diese italischen Eigenthünmlichkeiten
sind nun nicht in allen Zweigen der bildenden Kunst
gleichbedeutend; in der Architektur treten sie deutlicher